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Das Erfolgsprinzip

Im drittenTeil der Coaching-Serie erklärt Psychologe und Managementexperte MICHAEL SCHMITZ wie Führungskräfte ihren Teams ERFOLGSERLEBNISSE VERSCHAFFEN und so mehr Leistung und ein besseres Arbeitsklima bewirken.

Teams, Abteilungen und Unternehmen können erfolgreicher sein, wenn sie sich mehr Erfolgserlebnisse gönnen. Gemeint ist: sie müssen Erfolge erleben, verstehen, was sie unter den gegebenen Umständen tatsächlich erreichen können, Resultate der eigenen Wirksamkeit zuschreiben und darauf stolz sein. Und vor allem kleine Erfolge mehr würdigen, als sie dies gemeinhin tun. Gerade die kleinen Erfolge werden oft vernachlässigt. Der Blick richtet sich auf das, was in weiter Ferne liegt und noch nicht erreicht wurde.
Ferne Ziele sind aber nur über kleine Erfolge zu erreichen. Sie geben Selbstbestätigung und treiben voran. Das gelingt umso besser, wenn Teams „Katalysatoren“ für Erfolg identifizieren, die zwischenmenschlichen Beziehungen „nähren“, Leistungshemmer aus dem Weg räumen und vermeiden, was die Stimmung runterzieht. Wie das funktioniert, erklären Harvard-Business-School-Professorin Teresa Amabile und Psychologe Steven Kramer, die ihren Ansatz als „Das Erfolgsprinzip“ beschreiben. Begründet auf einer großangelegten Studie identifizierten sie drei Faktoren, die in besonderer Weise gute Zusammenarbeit und Ergebnisse fördern, und zwei Faktoren, die sich entscheidend negativ bemerkbar machen.

Als positive Faktoren führen sie an:

  • Fortschritte in der Bewältigung von Aufgaben in Form von sichtbaren, messbaren kleinen Erfolgen.
  • Ereignisse und Maßnahmen, die das Vorankommen fördern – Zielsetzungen, Ressourcen, Budgets, Ideen, Handlungsfreiheit; praktische Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte, um Aufgaben zu bewältigen; ein Arbeitsumfang, der in angemessener Zeit zu bewältigen ist.
  • Ereignisse und Beziehungen zwischen Menschen, die gute Gefühle stärken wie Aufmerksamkeit, Respekt, Anerkennung, Wertschätzung – der Person, nicht nur der Mitarbeit, Ermunterung, Ermutigung, Vertrauen, Zugehörigkeit, Trost, Stolz.

Negativ wirken dagegen:

  • Mangelnde Unterstützung, Abzug von Ressourcen, Budget-Cuts, Markteinbrüche
  • Interaktionen oder Verhaltensweisen von Personen, die negative Gefühle hervorrufen und dadurch Aufmerksamkeit, Motivation und Leistungsfähigkeit schwächen (Konfrontationen, harsche Tonlagen, Vorwürfe, Mangel an Respekt, Kälte im Umgang, persönliche Abwertung). Sie wirken wie Gift.

Erfolgserlebnisse fördern
Für Teams, die ihren Erfolg optimieren wollen, kommt es darauf an, die positiven Faktoren gezielt zu fördern und die negativen möglichst auszuschalten. Diese Anforderung gehört zu den Managementaufgaben, die ein Coach bewusstmachen sollte. Das ist noch wichtiger, als sich mit den persönlichen Eigenheiten einzelner Teammitglieder zu beschäftigen.
Umfragen unter Managern zeigen, dass sie selbstverständlich Erfolg anstreben – aber wenig tun, um Erfolgserlebnisse zu fördern. Manager pflegen eher die Vorstellung, es reiche aus, Ziele zu setzen, Anreize zu bieten und Leistung zu belohnen. All das ist gut und richtig. Aber das Management von Erfolgen kommt dabei kurioserweise zu kurz.
Als Aufgaben für Führungskräfte wären zu formulieren:
Was können wir tagtäglich tun, um Erfolge erreichbar und erlebbar zu machen? Welche Orientierung müssen wir unseren Mitarbeitern dafür geben, welche Unterstützung zur Verfügung stellen? Welche Hindernisse müssen wir aus dem Weg räumen?
Welche zwischenmenschlichen Störungen haben wir zu beseitigen?
Mit Prozessvorgaben, Rollenverteilung, Strukturfestlegungen und ruhiger, routinierter Arbeit ist es nicht getan. Unter Managern ist nach wie vor die Haltung verbreitet: „Nicht kritisiert ist genug gelobt.“ Das jedoch ist eine kontraproduktive Verweigerung von Erfolgserlebnissen. Das ist Missmanagement.

Wie Erfolge zu managen sind
Erfolge zu managen bedeutet, Arbeitsabläufe, Aufgaben und Projekte in eine Vielzahl gut erreichbarer Teilziele herunterzubrechen, um so eine zügige Folge von „Teilsiegen“ aufstellen zu können. Das Anspruchsniveau ist dabei zu definieren. Es geht nicht um große Errungenschaften oder Durchbrüche. Wer stets nur das Fernziel vor Augen hat, beschert sich vornehmlich das Empfinden, weit davon entfernt zu sein. Das führt eher zu Frust, als dass es stimuliert.
Fortschritte müssen schnell machbar und sichtbar sein. Das zeigt sich meist in kleinen Ereignissen. Diese Ereignisse im Team bewusstzumachen, sie zu würdigen und innerlich festzuhalten, ist wichtig. Sie fördern das Bewusstsein, wirksam zu sein, durch eigene Fähigkeiten voranzukommen. Das wiederum fördert Selbstbewusstsein, Engagement, Energie, Ausdauer und Zufriedenheit – eine Zufriedenheit, die nicht abkippt in Selbstzufriedenheit, weil Erfolge verknüpft sind mit weiter gehenden und überschaubaren Zielen. So ist es möglich, Wünsche nach neuen Erfolgserlebnissen zu wecken und zu erfüllen.

Seelennahrung
Mitarbeiter – und das schließt Führungskräfte mit ein – müssen spüren, dass ihre Leistung von ihren Vorgesetzten und ihrem Unternehmen wahrgenommen und geschätzt wird. Das gelingt nicht mit der Überweisung ihres Gehaltes, sondern nur mit Zuwendung. Das ist Nahrung für die Seele. Werden Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung vorenthalten, untergräbt das Engagement und Leistungsbereitschaft.

Der Vorgesetzte macht’s
Wir bringen für unsere Arbeit viel Zeit auf – mehr als für alles andere. Daher sind die Erwartungen hoch, mit unserer Arbeit zufrieden zu sein. Umso gravierender, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt, sondern anhaltend enttäuscht werden. Meist hat das mit dem unmittelbaren Vorgesetzten zu tun, der wie kein anderer bestimmt, wie man miteinander umgeht und welches Klima herrscht.

Schlechte Stimmung entsteht, wenn Vorgesetzte

  • sich immer wieder in die Arbeit ihrer Mitarbeiter einmischen mit Kontrollen, Kommentaren und Kritik;
  • nur sagen, was ihnen nicht passt, was nicht reicht, was noch fehlt;
  • kaum würdigen, was gut gelungen ist;
  • den Druck, den sie von oben spüren, durch Zielvorgaben und Erwartungen direkt nach unten weitergeben.

Negative Erlebnisse bei der Arbeit wie Konflikte mit Vorgesetzten wirken sich unmittelbarer, heftiger und anhaltender auf die Stimmung aus als positive Erlebnisse. Studien legen nahe, dass negative Ereignisse etwa fünfmal stärker auf die Stimmung schlagen, als positive Erlebnisse die Stimmung verbessern. Mitarbeiter erinnern sich eher an negative Begegnungen mit ihren Vorgesetzten als an positive; sie tun dies viel detaillierter und mit größerer Intensität. Und das hemmt ihre Produktivität.
Vorgesetzte unterschätzen, wie schnell und anhaltend sie negative Wirkungen bei ihren Mitarbeitern auslösen können, wenn sie

  • ihnen Fehler vorhalten, ohne zu berücksichtigen, unter welchen Umständen sie entstanden sind;
  • nicht würdigen, welche Leistung sonst erbracht wird;
  • den Mitarbeitern nicht ausreichend vermitteln, was sie tun sollen;
  • Ideen und Vorschläge ignorieren oder abblocken, indem sie ihre eigene Meinung dagegensetzen, ohne auf Bemerkungen von Mitarbeitern einzugehen und darin das Produktive zu suchen;
  • einzelne vor anderen infrage stellen, sodass diese sich vorgeführt fühlen;
  • immer wieder Mikromanagment betreiben und so Mitarbeitern zu verstehen geben, dass sie ihnen nicht zutrauen, ihre Arbeit selbstständig zu erledigen;
  • Mitarbeiter unter Druck setzen, indem sie ihnen zusätzliche Aufgaben zuteilen, ohne zu merken, dass schon mit den bisherigen Aufgaben die Belastungsgrenze erreicht ist.

Unzufriedenheit in der Arbeit okkupiert leicht Denken und Empfinden. Sie wird schnell zu einem beherrschenden Thema und bestimmt den Umgang mit anderen, nicht nur am Arbeitsplatz. Um das Erfolgsprinzip in Gang zu setzen, muss die eigene Arbeit als sinnvoll angesehen werden. Sie muss Bedeutung haben, darf nicht nur irgendein Job sein oder eine bloße Verpflichtung. Ob das der Fall ist, hängt davon ab, wie sehr die tatsächlichen Aufgaben zu den Fähigkeiten und Interessen des Einzelnen passen und wie sehr jeder erleben kann, dass die persönlichen Leistungen zum Gelingen größerer Aufgaben beitragen – dazu, dass Teamund Unternehmensziele erreicht werden. Für einzelne Mitarbeiter ist das oft nicht unmittelbar zu sehen. Das heißt: Es muss ihnen vermittelt werden, von den anderen im Team, vom direkten Vorgesetzten und übergeordneten Ebenen ihrer Organisation. Diese Aufgabe geht kaskadenartig von oben nach unten, über alle Ebenen hinweg.
Führungskräfte müssen Sinn erleben und Sinn stiften. Auch dazu sind sie als Coaches in besonderer Weise gefordert, auf allen Ebenen, auch gegenüber den ihnen jeweils unterstehenden Führungskräften. Leitende brauchen diese Vermittlung ebenso wie Nicht-Leitende. Damit ist die Gesamtverantwortung dafür ganz oben im Unternehmen angehängt. Die Vermittlung muss konkret, nachvollziehbar und glaubwürdig sein. Ein allgemeines Lob bringt nichts. Das klingt hohl und ist schnell verrauscht. Mit blumigen Erklärungen und Manager-Sprech ist es nicht getan. Das wird als fade Feiertagsrede oder Führungsphraseologie wahrgenommen.
In Teams muss es nicht immer fröhlich zugehen. Wenn es ein Problem zu lösen gilt, kann aus Anspannung auch Spannung entstehen. Schlechte Stimmung mag aufkommen. Problembewusstsein signalisiert, dass ein Problem gelöst werden muss und erhöht so die Fokussierung auf die Problemlösung. Menschen leisten anhaltend mehr, wenn sie in ihrem Beruf zufrieden sind, ihre Arbeit mögen, sich mit ihren Kollegen und Vorgesetzten wohlfühlen und ihr Unternehmen schätzen. Mitarbeiterzufriedenheit entsteht nicht nur aus der unmittelbaren Arbeit, sondern verlangt ganz wesentlich ein gutes persönliches Verhältnis zu den direkten Vorgesetzten, in weiterer Folge Zutrauen zur Führung insgesamt und ein gutes Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit.

Gute Stimmung fördert Engagement und Zusammenarbeit
Ein gutes Arbeitsklima fördert persönliches Engagement, Kooperation und Kreativität. Die Bereitschaft und die Fähigkeit, Probleme zu lösen, steigen. Bei schlechtem Arbeitsklima und mieser Stimmung kippen Leistungsbereitschaft, Zusammenarbeit, Kreativität, Engagement und Ergebnisse. Unzufriedenheit fokussiert die Aufmerksamkeit immer weiter auf alles, was unzufrieden macht. Dadurch verengt sich die Perspektive – die Übersicht und die Orientierung auf weitreichende Ziele gehen verloren.

Erfolgsparameter den Umständen anpassen
Die Stimmung und das Klima verschlechtern sich, wenn die Umstände sich so ändern, dass Erfolge schwieriger und in geringerem Maße zu erreichen sind. Zum Beispiel, wenn Ressourcen gekürzt, Budgets gekappt, Arbeitskräfte verschoben werden. In Zeiten der Umstrukturierung gilt es daher, Erfolg neu zu definieren, die Parameter anzupassen, klarzumachen, was unter veränderten Bedingungen erreicht und als Erfolg gewertet werden kann. Das ist vornehmlich die Aufgabe von Coaching, das führt. Wenn es etwa darum geht, bei einer angespannten Marktlage Kosten zu sparen, und frühere Umsätze nicht zu erzielen sind, können auch Umsatzeinbrüche, die ein bestimmtes Maß nicht überschreiten, ein Erfolg sein.

Ansteckende Gefühle
Gefühle sind ansteckend, die positiven wie die negativen. Wer Erfolge erlebt, strahlt Zufriedenheit aus. Die Welt wird anders erlebt. Zufriedene Menschen nehmen Teammitglieder und Vorgesetzte eher als förderlich und unterstützend wahr und gehen freundlicher auf sie zu. Freundlichkeit fördert Freundlichkeit.
Während Erfolgserlebnisse die Leistungsspirale nach oben treiben, führt das Empfinden von Verlusten und Niederlagen immer weiter nach unten. Motivation und Zuversicht lassen nach. Etwa wenn man merkt, dass Kollegen und Vorgesetzte sich mehr um sich selbst und ihr persönliches Fortkommen kümmern als um den Gesamterfolg und man daher nicht die Unterstützung von ihnen bekommt, die nötig wäre. Wird gemeckert und gemosert, hinter dem Rücken schlecht geredet, abgekanzelt oder gegrätscht, so nimmt der Stimmungsund Leistungsabschwung weiter Fahrt auf. Dann sind Coaches ganz besonders gefordert, dem Erfolgsprinzip wieder Geltung zu verschaffen.

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Wie wir Willensstärke stärken

Im zweiten Teil der Coaching-Serie erklärt Psychologe und Managementexperte MICHAEL SCHMITZ, worauf es ankommt, wenn wir ambitionierte ZIELE ERREICHEN wollen. Er empfiehlt Routinen, um Wil- lensstärke aufzubauen und warnt vor Fallen allzu extremer Anstrengungen.

Jeder von uns hat Vorsätze, aus denen nichts wird. Die einen nehmen sich immer wieder vor, regelmäßig Sport zu treiben, andere möchten sich das Rauchen abgewöhnen oder weniger Süßigkeiten essen – und es gelingt irgendwie nicht, während sie sonst vieles voranbringen, erfolgreich sind im Beruf und sich gut durch’s Leben schlagen. Das zeigt: Ambitionen sind gut. Sonst erreichen wir nichts. Aber Ambitionen können auch zu viel sein. Unsere Energie und unsere Willensstärke sind nämlich beschränkt. Die einen haben mehr, die anderen weniger. Aber keiner hat unbegrenzte Reserven.
Wenn zu viele Vorsätze miteinander konkurrieren, blockieren sie sich gegenseitig. Sobald wir die Kraft aufbringen, eine Ambition zu verfolgen, nehmen wir uns damit Energie für andere. Wer im Beruf viele Aufgaben zu bewältigen hat, lässt andere Vorsätze schneller schleifen. Dabei freilich kann das Leben aus der Balance geraten – wenn wenig Aufmerksamkeit und wenig Kraft zum Beispiel für Partnerschaft und/oder Familie bleiben. Deshalb ist es ratsam, abzuwägen, was persönlich am wichtigsten ist. Jeder muss für sich angemessene Prioritäten setzen und darf nicht alles auf einmal wollen.

Unnütze Appelle
Es hilft wenig, an die eigene Disziplin zu appellieren. Es nutzt nichts, sich zu geißeln, wenn die eigenen Ansprüche nicht erfüllbar sind. Dann müssen wir unsere Ansprüche korrigieren. Wir brauchen eine gute Selbsteinschätzung darüber, was wir leisten können. In unserem Arbeitsumfeld sind wir häufig mit der Erwartung konfrontiert, stets noch mehr zu leisten, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, mehr Verantwortung zu tragen. Das geht nur bedingt. Irgendwann stößt jeder an seine Grenzen – was Vorgesetzte, die Aufgaben loswerden wollen und delegieren müssen, oft nicht einsehen wollen. Hilfreich ist es, zu verstehen, wie wir mit unserer Willensstärke gut haushalten und wie wir sie sukzessive vergrößern können.

Energiezufuhr richtig steuern
In einem Unternehmen, in dem ich immer wieder bin und in dem sehr viel und sehr konzentriert gearbeitet wird, stehen auf den Tischen in den Besprechungszimmern stets Schalen mit Keksen und Schokolade. Am Vormittag wird davon wenig gegessen. Am Nachmittag putzen die Leute, die dort zu-sammenkommen, sie mit zunehmender Eile weg. Für Nachschub wird stets gesorgt. Ist das gut so?
Nach Stunden intensiver Belastung, oft ohne richtige Pause, sackt durch den hohen Energieverbrauch der Glukose(Blutzucker)-Spiegel ab – und damit lassen Willenskraft und Leistungsfähigkeit nach. Der Körper verlangt nach neuer Energiezufuhr. Mit Süß-Stoffen treiben wir den Blutzuckerpegel rasch nach oben, daher der eilige Griff zu Keksen, Schokolade oder putsch-Brause. So steigern wir unser Beharrungsvermögen. Ohne Glukose keine Willenskraft. Die Biologie kennt kein Erbarmen. Wer sich die Zuckerzufuhr verabreicht, hält seine Willenskraft, kann ausdauernder arbeiten und bleibt beharrlicher, wenn es gilt, kniffelige Aufgaben zu lösen.
Wer jedoch Süßes – ob in Schalen oder Dosen direkt vor seiner Nase stehen hat und sich zwingen muss, nicht zuzugreifen, verbraucht Willenskraft, die ihm später für andere Aufgaben fehlt. Wissenschaftliche Studien zeigen: Wer gegen süße Versuchungen ankämpft, gibt schneller auf als jemand, der ihnen nicht widerstehen muss. Glukosemangel mindert Disziplin und Selbstkontrolle. Viele erliegen solchen Versuchungen, obwohl sie wissen, dass Zucker dick macht und der Energiepegel durch Zucker (oft kombiniert mit Coffein) so schnell zusammensackt, wie sie ihn hochschießen – und sie deshalb dazu neigen, noch mehr von dem Stoff zu konsumieren. Gescheiter wäre es, Obst oder Gemüse zu essen, das versorgt uns anhaltender mit Energie. Was viele davon abhält: Die Wirkung setzt nicht so rasant ein.

Willensstärke erschlafen
Schlafmangel erhöht den Glukosebedarf. Wer nicht ausreichend schläft, reduziert seine Willenskraft. Die Unterversorgung mit Glukose ist auf Dauer nicht zu kompensieren. Wer für große Herausforderungen viel Kraft aufwenden muss, dem fehlt schnell die Energie für Aufgaben, die nachgeordnet oder nicht so wichtig erscheinen. Versuche zeigen: Übermüdete Menschen beantworten weniger Telefonanrufe, waschen sich weniger gründlich, wechseln seltener die Unterwäsche, halten zu Hause weniger Ordnung und geben eher den Sport auf. Sie haben schneller schlechte Laune, sind insge-samt gereizter, verschlafen häufiger, neigen eher dazu, mutlos und ängstlich zu reagieren. Sie erliegen leichter spontanen Versuchungen, so geben sie etwa mehr Geld für unsinnige Dinge aus. Wer gegen solche Versuchungen zunächst erfolgreich ankämpft, erliegt ihnen bei nächster Gelegenheit umso schneller.

Dauernder Stress raubt Willenskraft
Wer für Anstrengungen belohnt wird, kann ungeahnte Energiereserven mobilisieren. Wird die Belohnung bei Erreichung des Zieles jedoch verwehrt, weil etwa der Chef noch eine Forderung draufsattelt, kollabiert der Energiehaushalt rasch. Raubbau am eigenen Energiehaushalt betreibt, wer sich andauernd zu viele Aufgaben auflädt und sich so in chronischen Stress treibt. Stress erleben wir immer wieder. Er kann sogar stimulierend sein. Zu einem veritablen Problem gerät er allerdings, wenn wir ständig Höchstleistungen von uns erwarten. Höchstleistungen können wir in gewissen Phasen erbringen, aber eben nicht permanent. Menschen, die das nicht begreifen, manövrieren sich sukzessive in die Insuffizienz. Jeder Spitzensportler weiß das.
Wer sich im Job ständig zusammenreißen und immer wieder hochreißen muss, dem fehlt schneller die Kraft, um Anforderungen zu Hause zu bewältigen – im Beziehungsleben oder mit den Kindern. Gute Gefühle sind weniger intensiv und haben kürzeren Bestand. Chronisch Gestresste werden in ihrem normalen Alltag „störungsanfällig. Sie sind schnell ungeduldig und gereizt. Ärger schaukelt sich schneller hoch und macht sich ungehemmter Luft – schon wenn Dinge schiefgehen, die man, gelassen betrachtet, als belanglos bezeichnen würde.
Wer erschöpft ist, lässt sich leichter von Emotionen anderer anstecken. Er wird zum Beispiel leichter traurig oder wütend. Begierden, Gelüste und Sehnsüchte nehmen dagegen rasant zu, zum Beispiel nach Sex, Kaffee, Junkfood, Zigaretten oder Alkohol, und lassen sich schwerer eindämmen.

Die Leiden der Unzufriedenen
Wer stets versucht, das Maximum herauszuholen, ohne es wirklich bestimmen zu können, wer mit einem nicht definierten Anspruchsniveau einem Phantom hinterherjagt, der reibt sich auf. Die Psychologie nennt solche Leute „Maximizer“ und rät dazu, sich besser als „Satisficer“ zu verstehen, als jemand, der sein Anspruchsniveau definiert und eine Entscheidung trifft, sobald in der Fülle von Objekten und Optionen das zu haben ist, was diesem Niveau entspricht. „Satisficer“ sind übrigens die glücklicheren Menschen. „Maximizer“ leiden beständig unter der sie aufreibenden Vorstellung, das Beste zu verpassen.
Auch für Arbeitsabläufe und Ergebnisse hilft es, ein Anspruchsniveau zu definieren. Damit lassen sich Ziele besser bestimmen, auch die dorthin führenden Etappenziele. Sie müssen in überschaubarer Zeit mit überschaubarem Einsatz zu erreichen sein. Mit realistischen Etappenzielen sind Aufgaben steter und besser zu bewältigen. Wir erleben uns als wirksam, wenn wir sie erreichen – so wie es unseren Ansprüchen entspricht: manchmal vielleicht ein bisschen weniger, aber manchmal auch mehr.
Planung hilft, uns zu fokussieren und Erfolge anzusteuern. Wer nicht plant, wie unerledigte Aufgaben anzugehen sind, belastet unnötig Gemüt und Gehirn. Das Gehirn denkt vor sich hin und beschwert uns mit ungelösten Problemen und der Sorge, sie nicht richtig in den Griff zu kriegen. Das kostet Kraft, Willenskraft. Wenn wir so viel zu erledigen haben, dass wir Aufgaben, die auf uns zukommen, nicht angehen können, tun wir gut daran, das nicht als Gedankenund Gemütslast ständig mit uns rumzuschleppen. Es hilft auch nicht, immer wieder (also endlose) To-do-Listen zu schreiben. Beschwerliche Gedanken können wir entsorgen, indem wir planen, wann wir die Aufgabe angehen müssen. So plagen wir uns nicht schon damit, wenn es noch gar nicht nötig ist. Und wir verpassen nicht den Zeitpunkt, zu dem wir uns der Aufgabe widmen müssen.

Sinnfragen
Wer Aufgaben verfolgt, weil sie ihm etwas wert sind, weil sie Sinn machen und zum Konzept des eigenen Lebens gehören, der bleibt mit mehr Ausdauer dran. Wer lediglich Anweisungen folgt, tut das nicht. Darin liegt auch ein Leistungsdefizit von Unternehmen begründet, in denen nach dem Prinzip „Kommando und Kontrolle“ geführt wird und das Management Mitarbeitern keine Ziele anbietet, die für sie persönlich Sinn machen.
Sich zu vergegenwärtigen, was man erreicht hat, erhöht die Selbstzufriedenheit – und das ist auch gut so. Allerdings: Zu betrachten, was man noch nicht erreicht hat, stärkt den Antrieb, ambitioniertere Ziele zu verfolgen. Bewusste Perspektivenwechsel schützen vor Über-Ambition und vor Selbstzufriedenheit, die sich als Entwicklungsbremse entpuppen kann.
Mitarbeitertragenamwirksamsten zu Unternehmenszielen bei, wenn man sie bei ihren Tätigkeiten eigene Ziele verfolgen lässt. Wenn sie verstehen, welchen Beitrag sie zu einem Unternehmensziel leisten, und sie dieses übergeordnete Ziel für sinnvoll halten, setzen sie sich stärker ein. Ein solches Ziel ist aber niemals „mehr Umsatz“, „mehr Gewinn“ oder ein „höherer Aktienkurs“. Sinn ergibt sich nur aus der Sinnhaftigkeit der Produkte oder Dienstleistungen, die ein Unternehmen anbietet. Google macht jede Menge Gewinn. Aber der deklarierte Zweck des Unternehmens ist es, ganz ohne Bescheidenheit, die Welt besser zu machen. Das finden Google-Mitarbeiter klasse.

Tipps und Leitideen
Können wir Willensstärke stärken? Das wäre doch ein lohnenswertes Coaching-Ziel: Willensstärke aufzubauen. Es reicht jedoch nicht, sich vorzunehmen, den Willen zu stärken. Autosuggestion, der Versuch, sich selbst einzureden, man könne doch, was man tatsächlich nicht kann, ist ein sinnloses Unterfangen. Willensstärke können wir nur durch beharrliches Training aufbauen – ähnlich wie unsere Muskeln. Wir müssen uns Aufgaben setzen, die wir bewältigen können, und es zu unserer Routine machen, sie zu bewältigen.
Was für uns Routine ist, verlangt weit weniger Anstrengung. Beispiel Sport: Wer regelmäßig trainiert, muss sich zum Training nicht mehr quälen. Vielmehr entsteht ein Bedürfnis nach Sport, das uns Antrieb und Kraft gibt. Es kommt darauf an, zu verstehen, was der richtige Einstieg und das angemessene Pensum sein können, um Routinen zu entwickeln. Mit der Zeit können wir das Pensum erhöhen, das kostet dann nur ein bisschen mehr Anstrengung. Mit immer anspruchsvolleren Routinen steigern wir kontinuierlich unsere Willensstärke. So viel Willensstärke muss freilich aufgebracht werden: Sport als festen Termin in den Wochenablauf einplanen; beginnend mit einem Programm, das den jeweiligen körperlichen Fähigkeiten und der Fitness entspricht; das Programm erst anspruchsvoller gestalten, wenn eine Trainingsroutine etabliert und zur Gewohnheit geworden ist, wenn sie weniger Selbstkontrolle und Willensstärke erfordert. Tatsächlich können wir Willensstärke mit einer Vielzahl von Routinen aufbauen: durch Meditation oderYoga;esgingeauch,wennwiruns angewöhnen, regelmäßig eine gewisse Zeit lang gerade zu sitzen.

Ambitioniert bleiben
Große Ambitionen sollten wir nicht aufgeben. Visionen, Zukunftsbilder leiten unser Handeln an, geben uns Zuversicht, Antrieb und Ausdauer. Aber wir sollten uns nicht zu viel zu schnell oder vornehmen. Willenskraft müssen wir fokussieren, und wir müssen uns Gelegenheit geben, sie zu erneuern, indem wir uns für kleine und große Erfolge belohnen – das nämlich gibt uns neue Kraft – und indem wir uns immer wieder ausreichende Erholungsphasen gönnen. Die müssen wir einplanen. Wer Grenzen persönlicher Willenskraft ignoriert, scheitert schnell an zu vielen Aufgaben oder ist zumindest viel schlechter, als es sein Potenzial zulassen würde.

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So werden Sie ein guter Coach

Führungskräfte müssen Coaching können, wollen sie erfolgreich sein. Psychologe und Managementexperte MICHAEL SCHMITZ zeigt in seiner dreiteiligen trend-Serie den Weg dazu auf.

Coaching gehört zu den Kernkompetenzen, die Führungskräfte brauchen. Führungskräfte wollen erfolgreich sein. Doch Erfolge erzielen sie nur durch ihre Mitarbeiter. Ihre vorrangige Aufgabe muss es daher sein, die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern zu fördern. Jeder muss optimal zur Geltung bringen können, was er am besten kann, um für seinen Arbeitsbereich, sein Team, das Unternehmen das Beste herauszuholen. Jeder erfüllt eine besondere Funktion. Sein Handeln muss also funktional sein. Ohne Funktionalität führt die größte Umtriebigkeit zu nichts.

Was zählt: Funktionalität
Funktionalität jedes einzelnen Mitarbeiters verlangt Zusammenarbeit. Arbeit muss nicht nur koordiniert werden. Mitarbeiter müssen kooperieren. Es reicht meist nicht, sich nur um eine einzelne Aufgabe zu kümmern und nebeneinanderher zu arbeiten. Die Montage von Autos gelingt, wenn einzelne Aufgaben in gut koordinierten Prozessen erledigt werden. Die Entwicklung von Autos verlangt Kooperation der Entwickler – sonst passen Fahrwerk und Antrieb nicht zusammen. Die Entwicklung muss zudem mit der Produktion kooperieren, damit die Herstellung in großem Stil gelingt. Entwicklung und Produktion haben sich an budgetäre Vorgaben zu halten. Den Vertrieb und das Marketing frühzeitig miteinzubeziehen, ist ratsam. Denn was technisch möglich oder reizvoll für Entwickler und Produzenten sein mag, ist nicht unbedingt das, was Kunden kaufen wollen. Je komplexer die Aufgaben, die zu erfüllen sind, umso mehr ist Kooperation, also Teamarbeit – Arbeit in Teams und Zusammenarbeit von Teams – erforderlich. Sie müssen verstehen, was sie voneinander brauchen und müssen sich gegenseitig unterstützen. Sie sollen eigene Interessen und Ideen vertreten. Doch ihre Verantwortung geht darüber hinaus. Verantwortlich sind sie nämlich vor allem für das Gesamtergebnis.
Prozesse zu standardisieren, reicht nicht aus, um gute Ergebnisse zu garantieren. Zu managen sind die menschlichen Faktoren, sonst gehen schön gedachte Abläufe nicht reibungslos vonstatten. Das gelingt nur, wenn Führungskräfte verstehen, wie Mitarbeiter „ticken“. Persönliche Fähigkeiten und Ambitionen müssen – von Führungskräften mit anstehenden Aufgaben synchronisiert werden. Führungskräfte müssen so die Funktionalität ihrer einzelnen Mitarbeiter und ihrer Teams fördern. Sie müssen Leistungsbarrieren und Defizite beseitigen und aufmerksam registrieren, wo sich Dysfunktionalitäten zeigen. Diese entstehen, wenn einzelne Mitarbeiter ihre Aufgaben nicht so erfüllen, wie es von ihnen zu erwarten wäre. Das kann begründet sein in unzureichender fachlicher Kompetenz. In solchen Fälle wäre zu prüfen, ob Defizite durch gezielte Schulungen und Trainings auszugleichen sind. Häufiger freilich entstehen Dysfunktionalitäten aus persönlichem Verhalten von Mitarbeitern. Sie zeigen sich, zum Beispiel, in schlechter Kommunikation, Scheu vor Verantwortung oder mangelnder Kooperation.

Zwei Dimensionen: fachlich und sozial
Coaching zielt auf zwei Dimensionen – auf die besonderen fachlichen FertigkeitenundFähigkeiten,überdieMitarbeiter verfügen müssen, um ihre jeweils besonderen Aufgaben erfüllen zu können, und auf die sozialen Kompetenzen, die sie brauchen, um sich mit anderen zu verständigen und zu verstehen, damit die Zusammenarbeit möglichst reibungslos vonstattengehen kann (s. Kasten oben). Welche fachlichen Fähigkeiten erforderlich sind, bestimmt der Job. Von einem Vertriebsmitarbeiter ist eine andere fachliche Kompetenz zu erwarten als von einem Mitarbeiter in einer Entwicklungsabteilung. Journalisten müssen ein anderes Handwerk beherrschen als IT-Kräfte, Automechaniker oder Rechtsanwälte. Eh klar. Vertriebler zum Beispiel müssen über genaue Kenntnisse der eigenen Produkte und Dienstleistungen verfügen und wissen, welches Produkt, welche Dienstleistung welche Bedeutung für ihr Unternehmen hat, was das besondere Angebot ist, wie es sich von Angeboten der Konkurrenz unterscheidet, wie der jeweilige Preis vernünftig zu begründen ist. Ein Mehr an Service – schnelle Verfügbarkeit, bessere Qualität, direktere Kundenbetreuung – kann etwa einen höheren Preis für ein Produkt rechtfertigen.
Die sozialen Kompetenzen für eine gute Zusammenarbeit sind allgemeiner. Wiewohl es auch hier jobbedingte Unterschiede gibt. Die Kommunikation von, sagen wir, Ingenieuren ist anders als die von Krankenpflegern. Allerdings: Nur wenn beide Kompetenzen, die fachlichen und die sozialen, in ausreichendem Maße vorhanden sind, ist Funktionalität im Job, Zusammenarbeit in einer Abteilung, in einem Team, im Unternehmen möglich. Aufmerksame Führungskräfte beobachten, was bei ihren Mitarbeitern gut und was nicht so gut läuft. Was gut läuft, verstärken sie. Was nicht so gut läuft, gehen sie an. Am besten kann das durch Coaching gelingen.
Führungskräfte, die Coaching als Aufgabe verstehen, die sie besser nicht an jemanden von außen delegieren, müssen erkennen, welche Dynamik sich im Miteinander entwickelt, wie diese Dynamik den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit beeinflusst, fördert oder blockiert, wie Aufgaben angegangen und bewältigt und wie Ziele beschrieben, erreicht oder verfehlt werden. Coaching unterstützt Mitarbeiter, Leistungshemmnisse zu überwinden und Potenziale zu entwickeln. So läuft das tagtägliche Geschäft besser und die Entwicklung der „human resources“ geht voran. Gutes Coaching ist akute Hilfe und Zukunftsinvestition. Es nutzt den Mitarbeitern, den Vorgesetzten und dem Unternehmen. Es lohnt sich daher, die Coaching-Kompetenz von Führungskräften auszubilden. In ihrer normalen fachlichen Ausbildung lernen sie es nicht. Selbst in MBA-Kursen wird es nicht gelehrt.
Coaches in Unternehmen arbeiten – ähnlich wie Trainer im Sport – an Team-Fitness: Aufbau von Kraft und Kompetenz, Ausgleich von Schwächen, ausgerichtet auf Ziele, in einem gegebenen (Geschäfts-)Umfeld mit unterschiedlichen Interessengruppen, die Ansprüche und Erwartungen haben. Coaching fördert Performance. Es ist eine Kombination von Fokussierung auf Aufgaben, Prozesse, Kooperation und – Leistung. Coaches unterstützen Teams in ihrer Reflexion und Kommunikation und tragen dazu bei, dass sie besser analysieren, was ihre Ausgangslage ist, wie sie neue Ideen und Zugänge entwickeln, um ihre Aufgaben zu bewältigen, wie sie verstehen und wertschätzen, was sie aus gemeinsamer Anstrengung – und nur aus gemeinsamer Anstrengung – erreichen.
Zum Team-Coaching gehört es, jeden Mitarbeiter darin zu bestärken, Verantwortung zu übernehmen – für die eigenen Beiträge und für die Gesamtleistung. Ein Coach ist ein beharrlicher Treiber, der an Ziele, Commitments und Verantwortung erinnert. Er hilft, Absichten in Handlungen umzusetzen, angemessene Maßnahmen und Abläufe zu planen. Er beobachtet und spürt, welche Gefühle ins Spiel kommen und ob sie das Ziel eher fördern oder behindern.
Führungskräfte sollten zu allen, die sie coachen, ein besonderes Vertrauensverhältnis anstreben. Ein Coach darf sich nicht von Sympathien oder Antipathien leiten lassen. Vor allem hat er Funktionalität im Blick. Er darf keinen Einzelnen oder einzelne Gruppierungen bevorzugen, darf nicht Aufmerksamkeit, Verständnis oder Zuwendung ungleich verteilen.

Was Coaching braucht
Erfolgreiches Coaching bedarf einiger Voraussetzungen: Mitarbeiter müssen bereit sein, sich coachen zu lassen. Sie müssen erkennen, welchen Nutzen sie davon haben können und verstehen, dass Coaching ein Investment in sie ist. DieCoachees müssen auch offen sein und lernen wollen, bereit und fähig, sich zu ändern. Und sie sollten eine Vorstellung davon haben, was sie an sich ändern möchten sowie welche Wirkung sie damit erreichen können.
Coaching ist Förderung, nicht Bestrafung. Es darf nicht verknüpft sein mit der verächtlichen Haltung, „der kriegt Coaching, der hat es nötig“. Damit wird transportiert, Coaching ziele allein auf
persönliche Defizite, sei so etwas wie Therapie für Leute, die eine Macke hätten, und richte sich an die, die es „nicht bringen“. Eben an Minderleister. Damit wird es zur Auszeichnung, kein Coaching angeboten zu bekommen – weil man meint, sich als top-kompetent bestätigt empfinden zu können, als jemand, der es „nicht nötig“ hat. Kein Spitzensportler würde in solche Verirrung geraten. Bei Managern ist das allerdings oft der Fall.

Übereinkunft erforderlich
Seien Sie als Manager aufmerksam dafür, wer Coaching-Bedarf und Potenzial hat, bereit ist, sich coachen zu lassen, willig und fähig ist, zu lernen und sich zu ändern, neue Fähigkeiten zu entwickeln und Dysfunktionalitäten abzustellen.
Dysfunktional ist es zum Beispiel: andere mitten im Gedankengang zu unterbrechen, Bitten um Hilfe zu ignorieren, groß aufzutrumpfen, sich vor anderen zu verschließen, die Schuld für Fehler bei anderen zu suchen. Zeigt eine Person derartiges Verhalten selten und/oder nur in bestimmten Situationen, können Sie davon ausgehen, dass sie sich darauf ohne große Abwehr aufmerksam machen lassen wird und ihre Bereitschaft und Fähigkeit, dieses Verhalten zu korrigieren, relativ hoch sein wird. Zeigt jemand dysfunktionales Verhalten öfter und in verschiedenen Situationen – etwa im direkten Umgang mit Kollegen, in Meetings und bei Kundenkontakten –, ist das ein Hinweis darauf, dass es sich um tiefer verankerte Persönlichkeitseigenschaften handelt. Derartige Eigenschaften sind nur schwer zu korrigieren und meist nicht völlig abzustellen. Auch durch Coaching nicht. Coaching wäre da womöglich eine Fehlinvestition.
Klären Sie mit dem, den Sie coachen wollen, worum es geht – was wichtig ist, was anders werden soll. Coach und Coachee müssen darin übereinstimmen. Vereinbaren Sie Ziele und Maßnahmen, ebenso Ablauf, Rhythmus und Dauer des Coaching-Prozesses. Coaching-Ziele, das persönliche Coaching-Programm, sind von Coach und Coachee gemeinsam zu erarbeiten und zu vereinbaren. Ein strukturiertes Gespräch hilft bei der Klärung (siehe Kasten oben).
Coaching muss ergebnisorientiert sein. Es ist weder Wellness-Programm noch Psychotherapie. Coaching dient dazu, Funktionalität zu erhöhen und Leistung zu verbessern.

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Führungsrezepte sind Marketingmasche

Ihr neues Buch heißt „Der Coaching- Clou“ und verspricht gleich am Cover, zu verraten, wie man sich zum Erfolg coacht, Teams effektiver führt und zur besseren Führungskraft wird. Was ist nun dieser Clou?

Der Clou ist, dass Führungskräfte erkennen sollten, dass Coaching eine ganz klare Führungskompetenz ist. Führungskräfte verstehen häufig nicht, dass sie nicht einfach nur Mitarbeiter haben, denen sie Aufgaben und Ziele vorgeben. Sie müssen Mitarbeiter auch als Persönlichkeiten mit ihren Kompe­tenzen und Eigenheiten erkennen und sie über das Coaching darin unterstütz­ ten, ihre Funktionen im Unternehmen möglichst optimal zu erfüllen und sich in Ausübung ihrer Tätigkeit weiterzuent­ wickeln.


Warum ist Coaching als Führungskompetenz so wichtig und in welchem Verhältnis steht es überhaupt zu der Vielzahl an Fach- und Führungsfortbildungsangeboten, die es ohnehin am Markt gibt?

Coaching bedeutet, dass Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam erarbeiten, was die Kompetenzen sind, wo die Po­ tenziale liegen und wie das, was eine Per­ son in dieser Hinsicht einbringt, funktio­ nal zu dem passt, was innerhalb eines Teams, einer Gruppe oder eines Unter­ nehmens von dieser Person erfüllt wer­ den muss. Wichtig ist, dass es da nicht um die Entwicklung irgendwelcher Fähigkeiten an sich geht, sondern immer bezogen auf die jeweilige Situation und die konkrete Funktion. Aber das ist et­ was, was Führungskräfte in aller Regel so gar nicht als ihre Aufgabe sehen.

Und da kommt ein externer Coach ins Spiel? Wie sehen Sie das Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, dass eine Führungskraft selbst über Coachingkompetenz verfügen sollte, und einem Coach von außen?

Ich denke, dass jemand von außen, der weiß, wie Unternehmen funktio­ nieren sollten, hilfreich sein kann. Jemand, der auch weiß, welche Anforderungen im Umgang miteinander erforderlich sind und wie Menschen ticken, um dann zu einer guten Koopera­ tion und persönlichen Entwicklung zu kommen. Wenn ich als Coach in ein Un­ ternehmen komme, um mit Führungs­ kräften zu arbeiten, dann ist die Ent­ wicklung von Coachingkompetenzen immer ein Teil dieser Arbeit.

Das heißt, Sie machen sich letztlich überflüssig?

In einem gewissen Maße ja. Beziehungsweise kann man mit der Ent­ wicklung von Führungskräften und Füh­ rungskompetenz als Coach auch zur Ent­ wicklung des Unternehmens beitragen. Mit den neuen Herausforderungen, die sich aus dieser Unternehmensentwick­lung ergeben, erhält man als Coach in der Regel auch neue Aufgaben. Ich ziehe sehr gerne Vergleiche zum Sport: Ein gu­ tes Fußballteam hat immer einen Coach, der etwas vermittelt, was die Mannschaft auf den Platz bringen muss. Er ist ja nicht selbst am Platz aktiv. Wenn er ein guter Coach ist, wird er aber einzelne und das Team weiterentwickeln, sodass die Mannschaft am Platz besser und er­ folgreicher wird und im besten Fall auch schöner spielt.

Sportanalogien bieten sich natürlich an, wenn es um die Führung von Teams geht. Wie weit gehen die, wo sind die Grenzen?

Es gibt in Fußballteams ge­ nauso wie in Unternehmen Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten, mit grö­ ßeren oder etwas geringeren Kompeten­ zen. Das muss man anerkennen, aber klar ist immer: Ein Unternehmen und eine Mannschaft bestehen, weil es die Notwendigkeit von Zusammenarbeit gibt, weil Einzelne nicht das erreichen können, was durch Kooperation entsteht. Das ist in Sportteams selbstver­ ständlich. In Sportteams ist auch klar, dass ein zu großes Ego eingefangen werden muss, um es mannschaftsdienlich zu integrieren. Wenn das nicht gelingt, dann ist auch die größte persönli­ che Fähigkeit oft nicht so entscheidend, weil man­ gelnde Bereitschaft zum Zusammenspiel, zu Ko­ operation für ein gutes Endergebnis eher hin­derlich ist. Und das bedeutet auch, dass ein Coach darauf achten muss, wie ein Team aufgestellt ist, welche Persönlich­ keiten in diesem Team sind, welche Teambereitschaft und Teamfähigkeit da ist. Im englischen Fußballsystem sind die Trainer auch die Manager des Teams und nennen sich auch Manager. Sie sind auch diejenigen, die entscheiden, welche Spieler eingekauft werden.

Da wären wir beim Thema Recruiting.

In vielen Unternehmen wird gerade bei der Rekrutierung von Mitarbeitern zu wenig darauf geachtet, ob Teambereit­ schaft, ob Teamfähigkeit überhaupt vor­ handen ist. Wenn ich jemanden einfach nach Stationen seiner bisherigen Karrie­ re befrage oder wie er sich selbst ein­ schätzt, bekomme ich damit keine Infor­ mation, wie die fachliche Kompetenz, wie die Kooperationsbereitschaft und ­fähigkeit tatsächlich ist. Das ist schwie­ riger zu beobachten als auf dem Fußball­ platz. Wenn man sieht, wie ein Spiel funktioniert, hat man 22 Leute auf dem Platz, und das ist noch ziemlich über­ sichtlich. Und wenn einer partout nicht kooperiert, fällt das auf. Insofern ist es die Aufgabe einer Führungskraft, diese Kooperationsbereitschaft auch in klei­ nen Einheiten eines Unternehmens immer wieder herzustellen. Gerade auf unterer Ebene, da, wo es genau beob­achtbar ist, muss verstanden werden, dass das ein wesentlicher Teil für den Erfolg eines Teams, einer Gruppe und letztendlich des Unternehmens ist. Kom­ pliziert wird es, wenn Führungskräfte darauf achten, dass es in ihrem Team, in ihrer Abteilung funktioniert, aber nicht erkennen, wie sehr das, was sie tun, von anderen gebraucht wird, damit man insgesamt erfolgreich ist.

Sie sprechen da die Schnittstellenproblematik an, ein klassisches Problem- und Konfliktfeld für das Management in vielen Unternehmen?

Wenn es zu einem Gegeneinander kommt und Teamarbeit nur für die einzelne Abteilung gilt, aber nicht gefragt wird, wie können wir auf höherer Ebene, an diesen Schnittstellen, Kooperation herstellen, geht die Sache schief. Alle kennen die Auseinanderset­ zung zwischen Vertrieb und Marketing. Wenn etwas nicht so gut läuft wie er­ hofft, sagen die Vertriebsleute: „Die vom Marketing haben uns nicht ausreichend unterstützt“, und umgekehrt. Das gibt es bis zur Vorstandsebene. Es gibt Vorstände, die sich in erster Linie darum kümmern, dass ihr Bereich so gut funktioniert, wie sie sich das vorstellen, und sogar versuchen, den Gruppenzu­sammenhalt dadurch zu stärken, dass sie sich anderen gegenüber abgrenzen. Das führt zur Dysfunktionalität innerhalb der Vorstandsarbeit, und da kann es durchaus sinnvoll sein, einen Coach auch in diese Vorstandsarbeit einzubeziehen. Der kann aus der Beobachtung der Pro­ zesse die Dysfunktionalitäten erkennen, ansprechen und auf den Tisch legen. In Vorständen wird das oft deshalb nicht gemacht, weil die sich nicht gegenseitig auf die Zehen treten wollen.

Mit welchen Folgen?

Die Scheu, Proble­me offen anzusprechen, um Reibereien und Konflikte zu vermeiden, führt dum­merweise dazu, dass diese Konflikte nicht nur fortgeschrieben werden, son­dern sich weiter vergrößern. Insofern ist der Blick von außen und die vielleicht auch größere Rücksichtslosigkeit eines Coaches, die Dinge anzusprechen, auf längere Sicht nutzvoll.

Wo sehen Sie die Hintergründe für die weite Verbreitung solcher Probleme in Unternehmen? Hat das mit Leadership- Defiziten zu tun, mit der Managementausbildung?

Die erste Führungsaufgabe entsteht in der Regel, weil jemand in seinem Bereich – locker gesagt – einen guten Job gemacht hat. Für sich alleine. Die meisten, die in Führungspositionen kommen, zuerst auf niedrigerer Ebene, und dann, wenn sie einigermaßen erfolg­ reich sind, weiter aufsteigen, kommen nicht dorthin, weil sie schon erworbene, nachgewiesene Managementqualitäten haben. Da stellt man oft fest, dass einen guten Job alleine zu ma­chen etwas ganz anderes ist, als auf einmal als Führungskraft auch nur für drei oder fünf Leute verantwortlich zu sein. Auch wenn alle die Am­ bition haben, möglichst gut zu sein, ist nicht im­ mer automatisch auch Kooperationsbereitschaft vorhanden, weil die Not­ wendigkeit der Koopera­ tion für ein optimales Re­ sultat nicht erkannt wird.

Auf diesem Feld gibt es doch ein breites Angebot an Aus- und Weiterbildung.

Die fachli­che Ausbildung von Finanzleuten oder Ingenieuren schließt Managementkom­ petenz gar nicht ein. Und wo bean­ sprucht wird, Managementkompetenz zu vermitteln, an den Wirtschaftsschu­ len, wo man Business Administration studiert und einen MBA macht, ist es oft so, dass dort standardisierte Führungs­ konzepte präsentiert werden. Diese wer­ den sowohl von den Lehrenden als auch von denen, die sich als Studenten damit beschäftigen, als Konzepte verstanden, die man lernen und dann anwenden kann. Das Problem dabei ist, dass man aus einzelnen Beispielen zwar Anregun­ gen bekommen kann, welche Probleme auftreten können, welche Varianten es gibt, damit umzugehen. Es gibt aber eben keine Standardlösung, die für jede Situation, für alle Leute, in jedem Unter­ nehmen passt. Es gibt keine Führungs­ art, keinen Führungsstil, keinen Füh­ rungsapproach, der für alle Menschen zu allen Zeiten in allen Unternehmen passt. Wenn in der Ausbildung so getan wir, als gäbe es das doch, dann führt man Leute direkt in die Inkompetenz mit dem zu­ sätzlichen Dreh, dass sie sich auch noch für besonders schlau halten, weil sie et­ was gelernt haben, von dem sie glauben, damit sei der Erfolg garantiert.

Sie haben selbst ein Management- und Leadership-Programm an der Harvard Business School absolviert.

Bedauerli­cherweise ist es zu einer Masche gewor­ den, dass auch renommierte Wirt­schaftsschulen wie Harvard immer mehr so tun, als könnte es solche Führungs­rezepte geben. Als wäre es möglich, ein zweiter Steve Jobs zu werden. „Harvard Business Review“ oder andere Wirt­
schaftsmagazine rut­ schen leicht auf diese Schiene und tun dann so, als ob sie über die Be­schreibung erfolgreicher Führungsper­sönlichkeiten Rezepte vermitteln könn­ ten, die man leicht anwenden kann. So sind Führungsrezepte zu einer Marke­ tingmasche geworden. Das führt zu einer Verringerung von Führungskompetenz, weil man damit nicht das Denken för­ dert und den Blick erweitert, sondern darauf einengt, irgendetwas zu kopieren, von dem man meint, das sei das immer und für alle passende Vorbild.

Auch viele Coaches und Berater arbeiten mit solchen Maschen. Sollten Unternehmen jemandem, der schon mit fertigen Konzepten und Systemen hereinkommt, skeptischer begegnen?

Wenn jemand in einem Erstgespräch rasch Lösungen vorschlägt, würde ich mich fragen: „Wie kann er das wissen, ohne das Unterneh­ men zu verstehen?“ Ein Coach muss wis­ sen, welche Leute agieren, wie die Abläu­fe sind, wie man sich am Markt zu posi­tionieren versucht. Das ist ja von außen so nicht sofort erkenntlich. Ein Coach, der von außen kommt und das Ziel hat, die Coachingfähigkeit im Unternehmen zu entwickeln, führt da wahrscheinlich zu besseren Resultaten, indem er die un­ terstützt, die das tagtäglich vorantreiben. Ein neuer Trainer kann ja auch die Idee haben, ein bestimmtes System zu spie­len. Aber er muss sich dann anschauen, ob er die Spieler hat, die das können. Trainer, die heute glauben, mit einem System auszukommen, sind sowieso nicht so erfolgreich, weil ein System schnell durchschaut wird. Gute Coaches wie Pep Guardiola oder Julian Nagelsmann können ein System wäh­ rend des Spiels ändern. Sie erkennen, welche Variante funktioniert und welche nicht, und sind in der Lage, ein Team so umzustellen, dass das andere Konzept wirkungsvoll umgesetzt wird. Diese Art von Flexibilität kann schon auch für Führungskräfte ein gewisses Vorbild sein, auch wenn man die Parallelen nicht überbeanspruchen sollte, weil ein Unter­ nehmen innerhalb von 90 Minuten nicht dreimal die Konzeption ändert.

Die gefühlte Change-Intensität in manchen Firmen reicht da wohl schon heran. Aber was gibt es denn zur konkreten Ar- beit eines Coaches mit den Mitarbeitern zu sagen?

Das Grundverständnis muss sein: Coaching dient der Entwicklung. Coaching ist eine Förderung, nicht eine Strafaktion, die verordnet wird, weil jemand nicht bringt, was man sich von ihm erwartet, oder gar als Troublemaker gilt. Da wird dann häufig ein Coach her­ eingeholt, und Vorgesetzte erwarten sich, dass dadurch alles besser wird. Das ist aber bei manchen gar keine zweckmäßige Investition.

Da geht es wohl um Ressourcen. Bei wem lohnt sich dann ein Coaching, bei wem eher nicht?

Wenn ich jemanden habe, der sich für toll hält und Fehler immer nur bei anderen sucht, habe ich den Hinweis, dass das eine schwierige Persönlichkeit ist. Eine, die nicht leicht erkennt, wo die eigenen Defizite liegen und was bearbeitet und bewältigt wer­ den müsste, um mit anderen besser zu­ rechtzukommen. Provokant gesagt: Ich erlebe immer wieder, dass Menschen, die sich als Mobbingopfer darstellen, tat­ sächlich den Konflikt haben, ihre eige­ nen Ansprüche nicht erreichen zu kön­ nen. Und zwar, weil es ihnen, um diese Ansprüche zu erreichen, an fachlichen Kompetenzen, Ausdauer oder Sozial­ kompetenzen fehlt. Sie nehmen aber ihre Umgebung als feindselig wahr, und aus ihrer Sicht sind es die anderen, die sie am Erfolg hindern. Natürlich gibt es auch tatsächliche Mobbingopfer, aber wenn jemand immer nur das Opfer ist, denke ich mir, so schlecht ist die Welt in der Regel nicht, dass einem andere im­ mer nur Böses wollen. Wer sich coachen lässt, muss bereit sein, sich zu öffnen und darüber nachzudenken, was er mit Verhaltensweisen bewirkt. Das kann nämlich sehr verschieden von dem sein, was er beabsichtigt.

Sie kennen dafür sicher ein paar Beispiele aus der Führungspraxis. Mikro­management wäre so ein Beispiel. Ein Vorgesetzter mischt sich immer wieder ins Detail ein, weil er sich verantwort­ lich fühlt, dass jeder gut arbeitet und gute Resultate erreicht werden. Er will helfen, nimmt aber Mitarbeitern den Freiraum, für sich Lösungen zu suchen und ihre Kompetenzen weiterzuentwi­ ckeln. Wenn die gute Absicht, Fehler an­ zusprechen, dazu führt, dass Leute sich bloßgestellt fühlen und ihr Selbstbe­wusstsein niedergemacht wird. Oder umgekehrt, es werden aus Harmoniebe­ dürfnis Probleme nicht offen angespro­ chen. In allen Fällen haben wir eine gute Absicht, aber unwirksame Zugänge. Im Coaching muss ich diese guten Absich­ ten anerkennen, denn es geht nicht dar­ um, jemanden als Person in Frage zu stellen, sondern kritisch zu hinterfragen,
ob das, was er tut, zu dem führt, was er will.

Noch einmal zu den Coaching-Ressour- cen. Sie kategorisieren in diesem Zusammenhang im Buch A-, B- und C-Player, und zwar sowohl im Fußball wie auch in Firmen.

Diese Kategorisierung in A, B und C innerhalb eines Teams oder Unternehmens erkennt an, dass nicht alle Mitglieder die gleiche Vielfalt von Kom­petenzen haben. Trotzdem kann ein C­Spieler gut integriert in ein Team sein und eine wichtige Aufgabe erfüllen. Und ein C­Spieler bei Barcelona oder Liver­ pool wäre sicherlich ein A­Spieler bei Austria Wien. Wenn, wie bei Jack Welch, diese Kategorisierung dazu dient, jedes Jahr zehn Prozent der Leute rauszu­ schmeißen, ist das eine Schreckensherr­ schaft. Aber wenn ich mir als Führungs­ kraft eine solche Einteilung überlege, kann mir das dabei helfen, zu entschei­ den, um wen ich mich kümmern soll.

Inwiefern?

Ein Manager hat, auch wenn er Führung als prioritäre Aufgabe sieht, begrenzte Kapazitäten. Die muss er wir­ kungsvoll einsetzen, also da, wo er mit Coaching etwas voranbringen kann. Ein A­Spieler braucht in der Regel keine große fachliche Unterstützung. Wenn ich jüngeren B­Spielern beibringe, was wichtig ist, um gut miteinander klarzu­kommen, und Teamzusammenarbeit herstelle, habe ich oft einen größeren Effekt. Wenn ich im Vertrieb die fähigen Talente intensiv fördere, bringe ich da­ mit mehr Push hinein als mit grund­ legenden Seminaren für alle Mitarbeiter. Es ist oft leichter, einen Spieler von B+ auf A zu bringen als einen von C auf B.

Effizienzdruck auch im Coaching?

Coaching ist mit Aufwand und Kosten ver­ bunden. Es ist nicht das primäre Ziel, den Wohlfühlfaktor zu stärken. Wenn sich Leute dadurch wohler fühlen, weil sie mehr einbringen und ihre Funktion besser ausfüllen, ist das wunderbar. Coa­ ching im Businessbereich ist aber nicht Psychotrallala, Abenteuersession, Selbst­ erfahrung oder spiritueller Kick, sondern sehr am Zweck orientiert, an der Aufga­ be eines Unternehmens und daran, wie jeder in den verschiedenen Funktionen dazu beiträgt. Deshalb gibt es auch keine Kordelübungen, kein Chakka, keinen Kopfstand und wer weiß noch was, son­ dern sehr nüchterne und an den konkre­ ten Aufgaben orientierte Arbeit.

Zum Podcast: https://www.trend.at/branchen/karrieren/coaching-clou-so-fuehrungskraefte-11137768

Der Coaching-Irrtum

Unternehmen versenken viel Geld, weil sie die FALSCHEN LEUTE fördern und viele zu wollen, bei denen fast alle Anstrengungen vergeblich sind.

Er ist wirklich ein brillanter Kopf.“ Das sagen alle über Christian B., selbst jene, die ihn nicht leiden können. B., 42, Einser-Jurist, aufgestiegen bis in die zweite Führungsebene in der Personalabteilung eines großen Konzerns, hat für sein Unternehmen schon zahlreiche knifflige Probleme gelöst – zum Beispiel wenn es um Umstrukturierungen, personelle Rochaden oder Sozialpläne ging. Der über ihm rangierende Vorstand zählt auf ihn und lobt seine „große fachliche Kompetenz“. Allerdings gilt B. vielen als unangenehmer Zeitgenosse, in der eigenen Abteilung und darüber hinaus im Konzern. Der Unmut ist nicht mehr zu ignorieren. Eigentlich schon lange nicht mehr. Mittlerweile ist der Vorstand alarmiert. B. löst mit seinen Verhaltensweisen immer wieder „mittelschwere Beben“ im Unternehmen aus. Kollegen sagen von ihm, er sei zu sehr von sich eingenommen. Er meine, immer recht zu haben, und lasse divergierende Meinungen nicht gelten. Wenn andere ihm nicht zustimmten, und zwar „ jetzt und sofort“, werde er „unwirsch“, versuche er, sie „niederzudiskutieren“, höre dabei gar nicht richtig zu, was sie zu sagen hätten. Er unterbreche andere häufig, sei „angriffig“, „scharfzüngig“, „süffisant“, „ironisch“, „abwertend“ und dabei „oft verletzend“. Für Mitglieder des Betriebsrates ist B. ein rotes Tuch. Wenn Arbeitnehmervertreter und er zusammenkommen, scheppert es regelmäßig. B. eilt ein unangenehmer Ruf voraus.
Nach wiederholten Beschwerden sah der Personalvorstand sich gezwungen, einzugreifen: B. muss ein Coaching machen. Er soll seine „social skills“ entwickeln und sozialverträglicher werden. B.
selbst wäre nie auf die Idee gekommen. Er hält die Einwände gegen sich für „Befindlichkeiten“. Die Vorhaltungen seien „überzogen“. Er räumt ein, „ohne Scheu“ in Auseinandersetzungen „einzusteigen“, und meint: „Ich tauche vor Konflikten nicht ab. Das würde letztlich keinem dienen.“ Tatsächlich, führt er an, gehe es um „sachliche Kontroversen“ und „Interessensgegensätze“. Da dürfe man nicht drüber hinwegsehen.
B. fühlt sich zum Coaching „verdonnert“. Dass er nun jemanden sehen muss, „der mir Sozialverhalten beibringen soll“, empfindet er als Demütigung – zumal sich die Zuweisung im Unternehmen schnell herumgesprochen hat. Diskret ist die Sache keineswegs behandelt worden. Eher als resolute Aktion, die als Rü el verstanden werden sollte. B. fürchtet, „nun habe ich den Stempel weg“ – er fürchtet, dass er nun nicht mehr richtig ernst genommen werde.
Unter solchen Umständen knirscht es im Coaching schnell. Es gibt keine gute Grundlage für eine echte Kooperation. Wer zum Coaching „verdonnert“ wird, fühlt sich verkannt und bestraft. Der Coach erscheint als aufgezwungener Bewährungshelfer. Eben nicht als wirklicher Helfer, sondern als Person mit gegnerhaftem Auftrag, mit dem der zu Coachende meint, nicht vertrauensvoll zusammenarbeiten zu können. Ihn beäugt er kritisch. Ihm will er sich nicht ö nen, mit ihm nicht partnerschaftlich in ein „Sparring“ gehen – in eine wohlmeinende Auseinandersetzung um persönliche Eigenheiten, Stärken und Schwächen, um Ambitionen und um Wirkungen auf andere. In solcher Konstellation trachtet der „Coachee“ eher danach, dem Coach nachzuweisen, dass er ihn eigentlich gar nicht braucht. Dass das Set-up auf einem Missverständnis beruhe oder schlicht eine gemeine Degradierung sei. So geht kaum etwas weiter. Der Coach steht auf der Seife. …

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Die Psychologie der Macht

Michael Schmitz lernte als Journalist die Mächtigen der Welt kennen. Macht ist immer eine Kommunikationsleistung, sagt der Psychologe. Den goldenen Weg dahin müsse jeder selbst finden.

Michael Schmitz musste sich als Korrespondent in der DDR mit Stasi-Leuten prügeln. Angela Merkel lernte er kennen, als sie noch stellvertretende Pressesprecherin war. Schmitz interviewte Helmut Kohl und diskutierte mit Bill Clinton. Bei so viel Umgang mit den Mächtigen ist es folgerichtig, dass der ehemalige ZDF-Chefreporter und ausgebildete Psychologe heute in Wien eine Praxis betreibt und Führungskräfte zur „Psychologie der Macht“ berät. Ein Buch gleichen Titels erschien im Verlag Kremayr & Scheriau. Wir sprachen mit Schmitz über Macht. Und warum sie dazu verleitet, zu reden, ohne zuzuhören.

Herr Schmitz, Sie lernten im Laufe Ihrer journalistischen Laufbahn Dutzende ­Politiker kennen. Helmut Kohl und ­Angela Merkel zum Beispiel. Die beiden gehören oder ­gehörten zu den mächtigsten Menschen der Welt, gleich­zeitig wird beiden ­mangelndes rhetorisches Talent nach­gesagt. Können wir also gleich zu Beginn festhalten, dass ­Rhetorik und Macht nichts miteinander zu tun haben?
Michael Schmitz: Wenn wir einen falschen Begriff von Rhetorik zugrunde legen, schon. Aber klassischerweise bedeutet Rhetorik die Fähigkeit, eine Verbindung mit dem Publikum aufzunehmen. Ohne diese Kommunikationsleistung ist Macht nicht zu er­obern und auch nicht zu erhalten. Aber es gibt eben sehr viele Wege, sowohl Merkel als auch Kohl hatten ihre eigenen. Kohl strahlte Autorität und Machtwillen aus, damals kam das an, zum Ende seiner Kanzlerschaft war der Zeitgeist ein ganz anderer. Merkel steht für Pragmatismus und eine gewisse politische Flexibilität, was heute gewünscht wird. Es ist kein Zufall, dass Merkel heute Kanzlerin ist und Kohl nicht mehr. Und umgekehrt gilt das genauso.

Kohl stand eine Zeit lang Bill Clinton in den USA gegenüber, Merkel Barack Obama. Der und auch Clinton bauten ihre Macht auch auf rhetorischem Können auf. Ist das einfach ein kultureller Unterschied?
Michael Schmitz: Kultur spielt immer eine Rolle. Zwischen Clinton und Obama gab es allerdings auch Bush, ein anderer Typ als dessen Vorgänger und dessen Nachfolger. Es gibt viele verschiedene Politikertypen, die mit ihren Mitteln einen Weg finden, eine Mehrheit emotional an sich zu binden, also Macht zu gewinnen. Obama ist eigentlich ein introvertierter Mensch, sogar ein wenig schüchtern. Er kompensiert das aber mit geradezu schauspielerischen und sehr selbstironischen Fähigkeiten, wie er beim jüngsten White House Correspondents’ Dinner bewies. Merkel hat nicht den Unterhaltungswert Obamas, dafür aber eine hohe Glaubwürdigkeit. Man nimmt ihr ab, was sie sagt. Macht auf Rhetorik zu reduzieren, ist also sehr kurz gesprungen.

Gibt es dieses Missverständnis häufig?
Michael Schmitz: Ja, das sehe ich als Berater. Vor allem Wirtschaftsleute denken oft, sie lernen jetzt ein bisschen Rhetorik, und der Rest kommt dann von alleine. Das funktioniert nicht, es braucht eine Haltung dahinter. Nämlich den Willen und die Fähigkeit, eine Beziehung zu Mitarbeitern herzustellen. Fehlt das, ist eine gute Rhetorik genauso wenig hilfreich wie eine schöne Krawatte. Vor allem, das ist der wesentliche Unterschied der Wirtschaft gegenüber der Politik, brauchen Manager auch eine fachliche Kompetenz.
Das klingt jetzt aber nicht sehr nett ­gegenüber der Politik.
Michael Schmitz: Mag sein, aber in der Politik geht es nun mal mehr um eine Kompetenzillusion. PR hat hier vornehmlich die Aufgabe, einen Politiker gut rüberkommen zu lassen. Sympathische Politiker werden in aller Regel auch für kompetent gehalten. Ein gutes Beispiel ist Karl-Theodor zu Guttenberg, der politisch nicht so viel zu Stande brachte, aber fast schon als nächster Kanzler gehandelt wurde. In der Wirtschaft ist das ganz anders. Da ist es egal, wie sympathisch ein Manager bei den Mitarbeitern ankommt – solange er fähig ist, Ergebnisse zu liefern. Ohne nachweisbare Erfolge kommen Sie als Manager nicht sehr weit.

Wer ist denn der Obama der Wirtschaft?
Michael Schmitz: Da gibt es keinen direkten Vergleich. Der verstorbene Apple-Chef und -Gründer Steve Jobs war ein großer Kommunikator. Er war ein Mensch, der sehr von sich überzeugt war und gegenüber Mitarbeitern oft abfällig, nicht selten brutal auftrat. Viele Wegbegleiter erkennen an, dass Jobs Unglaubliches geschaffen hat, würden aber nicht nochmal seine Wegbegleiter sein wollen. Steve Jobs war fachlich ein Genie, das machte ihn zur Legende. Die ganze Apple-PR hätte aber nicht funktioniert, wenn der Ruf des Unternehmens nicht auf den tatsächlich ja revolutionären Entwicklungen beruht hätte.

Das heißt, Unternehmens-PR sollte sich besser auf etwas Handfestes besinnen, während es in der Politik eher darum geht, die Protagonisten gut dastehen zu lassen. Gibt es trotzdem Empfehlungen, an die sich Pressesprecher in beiden Bereichen halten sollten?
Michael Schmitz: Sie sollten sich nicht darauf reduzieren lassen, einfach nur Werbesprüche ­rauszuhauen. Das geht in aller Regel schief. Deshalb würde ich auch allen in der Branche raten, sich darum zu bemühen, nahe dran zu sein. Sie müssen wissen, wer die Person ist, für die sie sprechen, es muss ein Vertrauensverhältnis geben. Ich kann nur jemanden glaubwürdig nach außen darstellen, ihm also Macht verleihen, wenn ich nahe dran bin und überzeugt von dem, was ich sage. Worte bekommen dann Macht, wenn man merkt, dass sie mehr sind als Zucker, der über etwas gestreut wird.

Die Wirtschaftswelt ist, ­genau wie die Politik, voll mit ­Menschen, denen man ­einen hohen Geltungsdrang ­unterstellen kann. In der Poli­tik scheint das, wenn ich Sie recht verstehe, durchaus nützlich zu sein, in der Wirtschaft ­weniger. Woran liegt das?
Michael Schmitz: Es gibt sehr viele gute Manager. An der Spitze der Deutschen Post steht mit Frank Appel eine äußerst fähige Führungspersönlichkeit, und es gibt genug weitere positive Beispiele. Und negative. Viele Banken werden oder wurden schlecht geführt. Martin Winter­korn hat an der Spitze von VW gezeigt, was Egozentrik anrichten kann. Macht macht etwas mit Menschen. Menschen mit Macht neigen dazu, ihren eigenen Anteil an Unternehmenserfolgen über- und den der anderen unterzubewerten. Das wird verstärkt durch die mediale Tendenz, Erfolge zu personalisieren. Das führt bei den Betroffenen dazu, dass sie sich überschätzen, zu viel reden und zu wenig zuhören. Und das verträgt sich nicht mit dem, was man laut gängiger Auffassung in Unternehmen braucht: engagierte und aktive Mitarbeiter. Ab einem bestimmten Punkt wird Macht in Unternehmen dann richtig heikel. Wenn die Mächtigen ihre Position vor allem zum eigenen Vorteil ausnutzen, um sich in Szene zu setzen und Privilegien zu beanspruchen, die ihnen nicht zustehen.

Wie kann man so eine ­Entwicklung hin zum ­Machtmissbrauch verhindern?
Michael Schmitz: Macht braucht immer Kontrolle. Man sollte freilich schauen, welche Persönlichkeitseigenschaften jemand mitbringt und wie diese sich entwickeln könnten, wenn er oder sie Macht bekommt. Ob es einem nur um das persönliche Fortkommen geht oder auch das Wohl einer Organisation. Das gilt nun aber wieder für die politische und die wirtschaftliche Sphäre gleichermaßen. Ich würde aber gerne mal ein Missverständnis ausräumen …

… ja bitte!
Michael Schmitz: Dass Macht per se etwas Negatives ist. Wenn jemand von sich überzeugt ist, ist das erstmal gut, weil er auch etwas durchsetzen will. Das sind dann die Macher, die wir uns ja in vielen Bereichen sehr oft wünschen und die es auch braucht. So jemand repräsentiert Macht. Der Philosoph Alan Goldman hat gesagt, dass Macht die Fähigkeit bedeutet, zu kriegen, was wir wollen. Damit ist Macht einfach eine gesellschaftliche Notwendigkeit, nichts Böses oder Schlechtes. Wir brauchen Macht, um voranzukommen.

Die Frage ist nur, wie man sie erreicht. Nennen Sie mir doch bitte mal die goldenen Regeln, wie man Macht bekommt.
Michael Schmitz: Die gibt es natürlich nicht, und jeder, der so etwas verspricht, will entweder ein Buch oder ein Seminar verkaufen. Es gibt Grundregeln für gute Kommunikation, und damit hat man, wie gesagt, schon viel erreicht. An Wirtschaftsschulen in den USA gibt es inzwischen Kurse, die sich speziell dieser Thematik widmen. Dort lernt man zum Beispiel zuzuhören. Das ist ein wichtiger Bestandteil. Aber vor allem braucht man eine offene Haltung und die Fähigkeit, zu sehen, was situativ angemessen ist. Was passt zu den Leuten, mit denen ich zu tun habe? Das lernt man nicht an einem Wochenende. Es ist aber auch kein Geheimwissen.

Ist Macht überhaupt noch ­zeitgemäß?
Michael Schmitz: Wir wollen doch nicht ohnmächtig ­werden. Manchmal muss man Macht sogar demonstrieren – zum Beispiel die, die auf Know-how und Kompetenz beruht. Kunden wollen sicher sein, dass sie ein gutes Produkt haben, und das bekommen sie von Unternehmen, die eine gewisse Stellung im Markt haben, die eine Marke sind. Marken haben Macht, aber sie stehen auch für etwas, sie haben Glaubwürdigkeit und schaffen Vertrauen. Und das ist ja etwas Gutes.

Herr Schmitz, Sie sind aus dem Journalismus vor vielen ­Jahren ausgestiegen. ­Hatten Sie ­irgendwann genug von der Nähe zur Macht?
Michael Schmitz: Macht ist ein menschliches Bedürfnis, aber man muss sich ja nicht von diesem Bedürfnis beherrschen lassen. Als Coach arbeite ich heute viel direkter mit Menschen zusammen und bin weniger von Tagesaufgeregtheiten bestimmt. Es war für mich an der Zeit, etwas anderes zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview mit Dr. Michael Schmitz, geführt von Thomas Trappe

Wahre Helden

Einzelkämpfer haben keine Chance mehr! Die immer komplexeren Aufgaben können nur noch Teams bewältigen. Mit geballter Kompetenz. Doch Teams funktionieren nicht einfach so, sie müssen geführt werden. Ein neuer Ratgeber zeigt, wie.

Teamchoaching_bigJa, es gibt sie noch: Helden! Ein Blick in die Zeitun- gen genügt: “Thielemann erobert Salzburg”, “Van Persie erledigt Piräus im Alleingang”, “Marchionne haucht Chrysler neues Leben ein”, “Bezos lässt sei- ne Effizienzmaschine Amazon weiter auf Hochtouren laufen” oder “Reitzle hat den Konzern neu ausgerich- tet, ihn unabhängig und resistent gegen äußerliche Begehrlichkeiten gemacht und auf eine stabile, Wachstum versprechende Basis gestellt”.
Wahnsinn, was Einzelne so auf die Beine stellen, dazu noch im Alleingang! Liest sich auch gut. Aller- dings schmeckt es irgendwie schlecht, zumindest im Abgang. Weil: Irgendetwas ist da faul, stinkt zum Himmel! Tja, und das ist eben die Mär vom einzelnen Helden. Der sich auf eigene Faust, ungedeckt, in die – wahlweise – politische, wirtschaftliche, sportliche oder anders geartete Schlacht wirft und den Sieg erringt.
Tatsächlich ist das natürlich Quatsch! Ohne ein ful- minantes Orchester hätte der Dirigent Christian Thielemann gar nix erobert; ohne brillante Mit-
spieler hätte Robin van Persie als Sturmspitze von Manchester United wohl kaum Tore ge- schossen, Piräus also nicht erledigt; ohne hoch qualifizierte Teams wäre Sergio Marchionne eher die Luft ausgegangen, statt sie Chrysler einhauchen zu können – und weder Jeff Bezos noch Wolfgang Reitzle stünden mit ihrem Konzern gut da, wenn nicht der Konzern mit seinen Mitarbeitern in jedem Moment hinter ihnen gestanden hätte.

Team = Toll, ein anderer macht’s?

Kurzum: Kein Erfolg ohne Teamarbeit! “Teamarbeit heißt Kooperation und verlangt eine gute Verständigung untereinander, gemeinsame Ziele, Zuordnung von Rollen und Verantwortung, die Fähigkeit, Fehler zu erkennen, Rückschläge wegzustecken, Ideen einzubringen, Meinungs- unterschiede auszuhalten, Konflikte zu lösen, persönliche Ambitionen zurückzustellen, wenn dadurch das Große und Ganze beeinträchtigt würde”, schreibt Michael Schmitz in seinem neu- en Buch Teamcoaching. Grundlagen, Anleitungen, Fallbeispiele. So verstanden ist Teamarbeit für den Autor, der seit vielen Jahren vornehmlich Führungskräfte coacht und als Professor für Psychologie und Management an der Lauder Business School unterrichtet, der Schlüssel zum Erfolg.
Eigentlich einfach! Und zwar in der Theorie. In der Praxis nämlich hapert es an allen Ecken und Enden. Allein das gängige Bonmot “Team – Toll, ein anderer macht’s!” zeugt von der Kluft zwi- schen Idee und Wirklichkeit, zumindest was die hehre Idee angeht, im Team zögen alle gemein- sam an einem Strang. Deswegen dieses Buch, das nicht nur hält, was es im Untertitel ver- spricht – Schmitz erörtert sein Thema von Grund auf, bietet Anleitungen für praktische Umsetz- ungen und illustriert über viele Fallbeispiele –, sondern auf mehr als 300 Seiten sich nahezu jedem denkbaren Aspekt von Teamarbeit widmet: Gruppendynamik, Rollen, Aufgaben, Führung, Konflikte, Krisen, Macht, Emotionen, Diversity et cetera.

Bündel von Fähig- und Fertigkeiten

Im Mittelpunkt steht natürlich die Bildung und Steuerung von Teams, das “Teaming”, oder das “Re-Teaming”, wenn ein Team neu gebildet und entsprechend den aktuellen Anforderungen modifiziert werden muss. Denn letztlich geht es darum, “Teams so effektiv und effizient wie möglich zu machen, um optimale Resultate zu erreichen, etwas zu schaffen, was kein Einzelner und auch keine Gruppe schafft. Ein Team muss wissen, wozu es besteht, was es soll, was sein Zweck, sein Sinn ist.”
Um nur für einen Hauch die praktische Umsetzung zu berühren, geht es dabei um die Ent- wicklung von Fähig- und Fertigkeiten – genauer um ein ganzes Bündel davon, das je nach Team neu zu justieren ist – wie: Wissen, “sich zu verständigen, Konflikte, Krisen und Kom- plexität zu bewältigen, Willensstärke aufzubauen, Emotionen zu verstehen und zu managen, Risiken kompetent zu bewerten, Kontexte zu verstehen, persönliche Energie gescheit zu erneuern, körperlich und geistig gesund zu bleiben, die Regeln und Einflüsse der Macht zu verstehen, passend für die jeweilige Herausforderung zu führen, unterschiedliche Fähigkeiten zu nutzen und Vielfalt zu akzeptieren und wertzuschätzen”.

Teamarbeit besser gestalten

Sein Ansatz, den der Autor “funktionelles Coaching” nennt, bewegt sich auf der Schnittstelle von Psychologie, Managementwissen und -erfahrung, Sport und Neurowissenschaft, Medizin und Philosophie. Aber Schmitz schwebt nicht über den Wolken – allein seine Diktion ist klar, ein- deutig und liest sich kurzweilig -; er bleibt auf dem Teppich, respektive dem Rasen: Viele seiner Beispiele stammen nämlich aus der Welt des Fußballs. Für seine Zielgruppe, Coaches, Trainer und Führungskräfte, ist dieser prinzipielle Pragmatismus ein Plus, auch für sein Ziel: Dass nämlich seine Zielgruppe etwas an die Hand bekomme, um Teamarbeit besser gestalten zu können.
Und die Zeiten könnten dafür nicht günstiger oder drängender sein: Denn mit wachsender Komplexität in allen gesellschaftlichen Bereichen ist der Einzelne überfordert; nur mit Teams, als geballte Kompetenzen, gebündelte Stärken, die organisch funktionieren, sind heutige und künftige Herausforderungen zu bewältigen. Wer also kein Team zustande bekommt, hat schlechte Karten.
Führungskräfte müssen sich an dieser Kompetenz, die das Buch kompetent vermittelt, messen lassen – und könnten sogar am Ende, wenn also der Schlachtruf der drei Musketiere “Einer für alle, alle für einen!” greift, selbst noch gut dastehen: “Die Helden, nach denen wir uns sehnen, sind diejenigen, die es schaffen, viele Menschen auf eine Aufgabe hin zu orientieren, sie oft sogar dafür zu begeistern. Es sind die Personen, die mit der koordinierten Unterstützung anderer Projekte starten, Ziele erreichen, Positionen erobern. Sie üben Einfluss aus, sie verfügen über Macht.”

Rezension von Sascha Hellmann.
Sascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.

Viva „La Mannschaft“

Deutschlands Kicker als Vorbild für Team-Erfolg, effektives Management und gutes Miteinander

VivaLaMannschaft„La Mannschaft“ – das Slogan und Programm. Für Frankreich. Für die EM. Ja, überhaupt. Es verkündet Selbstbewusstsein. Und Selbstverständnis. Der Begriff bringt ein Konzept auf den Punkt. Er transportiert die zentrale Idee in einem Wort: Große Erfolge sind nur durch beharrliche Teamarbeit möglich! Als Ergebnis von Zusammenarbeit und Zusammenhalt!

Das ist die Kern-Botschaft. Sie soll nicht nur für den Fußball gelten, sondern für das Leben insgesamt. Für die Wirtschaft erst recht.

Das Unternehmen „Deutsche Nationalmannschaft“ gilt als Vorbild für modernes Miteinander und modernes Management. Die Harvard Business School hat ihr soeben eine ihrer berühmten „case studies“ gewidmet. Titel: „Die Mannschaft“. Eine Analyse der Faktoren, die aus einem Team „ohne Superstars “ einen strahlenden Sieger gemacht hat, dem die (Fußball)Welt zutraut, jeden bezwingen zu können. Auch wieder in dem nun anstehenden Turnier.

In Frankreich tauchte der Begriff „La Mannschaft“ schon einmal während der WM 1982 auf, als die Franzosen nach einer 3:1-Führung gegen die Deutschen im Halbfinale noch verloren. Allerdings gerierten die Germanen sich als brutale Kampftruppe. Ihr Torwart Toni Schumacher sprang den angreifenden Patrick Battiston mit ausgestreckten Fuß an, ohne jeden Versuch den Ball zu spielen, traf ihn mitten im Gesicht, schlug ihm die Schneidezähne aus. Während er Franzose vom Platz getragen werden musste, lehnte Schumacher selbstzufrieden am Posten und kaute Kaugummi. Sein Verhalten gehört zu den brutalsten Angriffen im Fußball. Grässlich. Hässlich.
Beschämend. „Ein Verbrechen“, kommentierte die BBC.

Die Deutschen galten international als „Rumpelfüße“, die sich martialisch durch Abwehrkette walzten und gegnerische Angreifer nieder-kartätschten. Die englische Presse nannte die Kampf-Truppe sarkastisch „German Panzer“.

Mittlerweile haben die Briten, wie alle anderen, ihre Ansichten geändert. Die Londoner Presse nennt das deutsche Nationalteam respektvoll „The Mannschaft“. Weil die Deutschen fair spielen und sie gute Resultat mit einer sehr anschaulichen und oft sogar eleganten Spielweise liefern. Außerdem stellt das Team kulturelle Vielfalt dar. Es steht für eine offene Gesellschaft und für Gemeinschaft. „Wir stehen für eine Entwicklung in unserer Gesellschaft“, meint Team-Manager Oliver Bierhoff. „Wir legen Wert auf soziale Kompetenzen, auf Kreativität, Mitgefühl und Demut“. Spieler singen vor Matches die deutsche Nationalhymne. Aber nicht alle. Es besteht kein Zwang. Und ein Schlachtruf wie „immer wieder, immer wieder Deutschland“ wäre nach ihrem patriotischen Selbstverständnis zu nationalistisch.

„Wir sind selbstbewusst, aber nicht überheblich“, verkündet Jogi Löw. Am deutschen Wesen soll nicht die Welt genesen. Das ist vorbei. Die deutsche Presse gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn sie über die Erfolge und die Wirkung des DFB-Teams schreibt. „Die Mannschaft“, orakelte die FAZ, sei „mehr als ein Team“. Da beginnt schon eine bedenkliche Mystifizierung.

Die Analysten von Harvard erkennen nüchterner eine jahrelange Entwicklung auf Funktionalität mit dem „Fokus auf Einheit des Teams“, die begonnen hat mit Jürgen Klinsmann als Head-Coach. Mit einer persönlichen Wertschätzung für jeden Einzelnen. „Vom ersten Tag an“, wie es in der Fallstudie heißt. Er sorgte sich nicht nur um bessere körperliche Fitness, sondern auch um eine neue mentale Stärke und schaffte, so die Analyse, eine „Performance-Kultur“. Klinsmann fungierte als Erneuerer, Motivator und Inspirator. Jögi Löw, damals Klinsmanns Assistent, steuerte Strategie und Taktik bei und avancierte zum Ausbilder und Übungsleiter.

LaMannschaft-2Deutschland bringt Top-Spieler mit individueller Klasse hervor. Das Land verfügt aber nicht über Superstars wie Ronaldo, Messi oder Neymar. Solche Spieler, räumt Löw ein, fehlen den Deutschen. „Unsere Mannschaft ist eine Kombinatsmaschine“. Ihr fehlten die unberechenbaren Künstler am Ball, die Gegner immer wieder überraschen, im Spiel Mann-gegen-Mann, auf engstem Raum. Von solchen Talenten träumt jeder Trainer und jeder Fußballfan. Allerdings: Trainer (und Chefs in Betrieben) erliegen leicht der Verführung, sich an ihre Stars zu klammern das Spielkonzept zu sehr nach herausragenden Individualisten auszurichten – und so kollektive Möglichkeiten nicht optimal auszunutzen. Superstars sind oft auch Super-Egos. Sehen vornehmlich sich, betrachten andere als Zulieferer und lassen sie nicht richtig zum Zuge kommen. Und dann ist das Team nicht so gut wie es sein könnte – selbst ohne den großen Star.

„Das Kollektiv ist wichtiger als jeder einzelne Spieler“, dozierte Löw als er den Kader für die EM 2016 vorstellte. Er betonte, es ginge „um mehr als gut Fußball spielen, es geht darum eine Einheit zu bilden, ein bedingungsloses Miteinander“. – Spieler müssen sich gegenseitig respektieren und wertschätzen – mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit ihren Begrenzungen und ihren verschiedenen Persönlichkeiten. Sie alle brauchen die Möglichkeit, ihre individuellen Stärken und Ambitionen zur Geltung zu bringen. Allerdings müssen sie erkennen, dass Erfolg nur durch funktionelles Miteinander möglich ist – durch Kooperation.

Erreichen kann letztlich keiner etwas alleine. Einzelne mögen versuchen, sich individuell in Szene zu setzen. Aber alleine können sie nichts gewinnen. Team-Erfolg verlangt, Fähigkeiten in den Dienst der Mannschaft zu stellen, das eigene Ego zu zügeln, andere nicht zu dominieren, nicht gegeneinander auszuspielen, zu sehen, was jeder zum Erfolg beitragen kann. Selbst, die, die nicht auf dem Platz stehen, sich aber bereithalten, um mit vollem Einsatz ihr Können aufzubieten, wenn es gefragt ist. Darauf müssen sich alle verlassen können. Das verlangt „auf der Bank“ großes Engagement und große Fähigkeit, mit persönlicher Enttäuschung und Frustrationen fertig zu werden. Dafür verdienen sie Wertschätzung. So gehören auch sie zur Mannschaft.

Fußball zeigt uns ein Paradox, das uns in jedem Team begegnen kann, in jedem Unternehmen, in jeder Branche: Individuelle Fähigkeiten müssen gefördert werden und brauchen Gelegenheit zur Entfaltung. Sie dürfen nicht in einschnürend in starre Abläufe gezwängt werden. Im Fußball zeigen sich individuelle Fähigkeiten oft in eins-zu-eins Situationen. Wenn ein Spieler mit exzellenter Technik, schnellen Dribblings, Körpertäuschungen, Übersteigern, mit Tempo gegnerische Spieler aussteigen lässt, wenn er Räume und Torchancen eröffnet. Doch die Chancen sind damit nicht automatisch seine Chancen. Er kann eine Situation geschaffen haben, in der andere sich günstiger positionieren konnten. Und dann muss er ihnen zuspielen – Assistent und nicht Vollstrecker sein. Individualität muss somit zur Geltung kommen und sich doch immer wieder dem Zweck der Mannschaft unterordnen. So wird sie integrierbar. Führung – im Fußball wie in Unternehmen – muss dieses Paradox akzeptieren und versuchen, eine Balance in dieser Polarität auszutarieren.

Große Könner können Spiele entscheiden. Und dennoch neigen wir dazu, ihnen einen größeren Anteil am Erfolg zuzuschreiben, als er ihnen tatsächlich gebührt. Keine Gesamtleistung ist die Leistung eines Einzelnen. Weder die eines Superstars, noch eines Super-Trainers, weder die eines Top-Ingenieurs, noch die eines brillanten CEOs. Gesamt-Erfolge – ob gemessen an Titel oder Dividenden – Einzelnen zuzuordnen, bezeichnet der Harvard-Business-School Professor Hackman als fundamentalen Zuordnungsfehler (als „fundamental attribution error“). Er hält Teams die Anerkennung ihrer Stärken vor. Der Fehler ist weit verbreitet, wird allerdings auch weidlich gepflegt – nicht zuletzt in den Medien, die Erfolge gerne personalisieren und damit (sträflich) individualisieren.

Das ist ja das paradoxe: Dass persönlicher Erfolg immer auf Kooperation beruht, also die Leistung und Zuarbeit andere voraussetzt. Damit Kooperation zielgerichtet gelingt, muss es freilich ein Konzept geben. Jögi Löw würde sagen: „eine Philosophie“. Harvard nennt es kategorisch „Strategie“. Damit wird festgelegt, wie sich eine Mannschaft/ein Unternehmen aufstellen will, wie es sich durchsetzen und behaupten möchte in ihrem/seinem jeweiligen Umfeld.

LaMannschaft-3Strategie besteht immer aus einem Set von Entscheidungen. Die einzelnen Maßnahmen müssen zusammenpassen. Sie sind nicht nur eine Addition einzelner Aktivitäten. Sie müssen aufeinander abgestimmt und konsistent sein, ineinandergreifen und sich gegenseitig verstärken. Harvard-Strategen nennen das „fit“. Ebenso wichtig, wie die Entscheidung, was zu tun ist, sind die Entscheidungen, was nicht zu tun ist. Das mag banal klingen. Tatsächlich werden solche Entscheidungen aber oft unterlassen. Sie verlangen immer „trade-offs“, bewusst in Kauf genommene Abstriche, wie Strategie-Guru Michael Porter argumentiert. – Unternehmen, die auf hohe Qualität setzen, können mit Produkten und Services nicht billig sein. Billige Ware liefert kein high-end. Wer im Fußball aggressives Pressing und schnelles Umschalten spielen lässt (wie Jürgen Klopp, früher mit Dortmund, heute mit Liverpool), nimmt filigranen Techniker viele Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten optimal zur Geltung zu bringen – mit rasanten Läufen und intelligenter Spielgestaltung. Anders ist der sogenannte „Ballbesitz“-Fußball, bei dem weniger gerannt, der Ball mehr kontrolliert, genauer gepasst und das Spiel überlegter aufgebaut und der Raum gezielter geöffnet wird. Diese Variante bevorzugen (jetzt in Dortmund) Thomas Tuchel, Jögi Löw oder Pep Guardiola.

Was heißt das? Dass Sieg oder Niederlage im Fußball, ebenso der Aufstieg oder Abstieg von Unternehmen eben nicht allein von einzelnen Leistungen und Individualisten abhängen, auch nicht von Kooperation und Zusammenhalt an sich, sondern funktioneller Zusammenarbeit, die sich bestimmt aus Strategie und Taktik, die angemessen sein muss für die jeweilige Herausforderung.

Jeder einzelne muss seine Rolle, seine Funktion im Kontext verstehen und wahrnehmen. Nur dann kann er effektiv zum Gesamterfolg beitragen. Das ist allerdings heutzutage deshalb nicht (mehr) so einfach, weil Fußball (ebenso wie unternehmerische Tätigkeit) ein sehr komplexes Geschäft geworden ist. In Top-Teams hat keiner mehr nur eine Rolle oder eine Funktion. Mitarbeiter und Führungskräfte in Unternehmen arbeiten zunehmend abteilungsübergreifend, kooperieren in unterschiedlichen Teams, tragen wechselhafte Verantwortung, bewegen sich durch Matrix-Strukturen und haben mit mehreren Vorgesetzten zu tun. Alles ist viel weniger beständig, viel mehr in Fluss.

Fußballer gehen mit einer bestimmten Zuordnung auf den Platz – etwa als linker Verteidiger, Mittelfeldspieler, Torwart oder Sturmspitze. Aber mit moderner Strategie und Taktik wandelt sich der Verteidiger immer wieder zum Außenstürmer, der Mittelfeldspieler stößt vor in die Stürmerposition, die Sturmspitze zieht sich zurück, als sogenannte „falsche neun“, um dann doch immer wieder vorzupreschen, der Torwart agiert, bei hoch stehender Abwehr als letzter Mann, als sogenannter „Libero“. Das ganze Team verschiebt sich immer wieder, je nach Situation, in neuer Anordnung auf dem Platz und kann das System während des Spiels mehrfach ändern, etwa die Verteidigung stärken, von einer dreier Kette umstellen auf eine fünfer Abwehr oder es kann die Offensive erhöhen – mit Folgen für alle Spieler.

Komplexe Spielweisen erfordern Spieler mit sehr unterschiedlichen und variabel abrufbaren technischen Fähigkeiten. Sie brauchen höhere Intelligenz und mehr Flexibilität. Es reicht nicht mehr nur einen Kapitän, der das Team antreibt, sondern jede Mannschaft braucht eine größere Zahl von Führungsspieler, die Verantwortung für die Umsetzung der Strategie übernehmen, sich gegenseitig unterstützen, puschen, sich gegenseitig in die Verantwortung nehmen, sich mitunter auch ermahnen – die für gescheite Koordination, festen Zusammenhalt und einen hohen Energielevel sorgen. Gute Teams verstehen Führung nicht als festgefügtes hierarchisches Konzept, das Macht und Status zuordnet und festschreibt. Sie entsprechen vielmehr einer Vorstellung, die Rosbath Moss Kanter, Leadership Professorin an der HBS, als heute gefordertes Leadership-Konzept sieht: Jeder, der dazu beitragen kann, dass Team auf dem Weg voranzubringen, seinen Zweck zu erfüllen und seine Ziele zu erreichen, soll das tun und so eine Führung ausüben – ohne dazu einen formalen Auftrag zu erhalten oder einen Titel zu brauchen!

Es geht also um vollen Einsatz jedes Einzelnen. Sich auf Kosten anderer einen Lenz zu machen, persönliche Leistung zurückzuhalten (in der Psychologie „social loafing“ genannt), das geschieht in Teams immer. Auf naturwüchsige Weise. Es entspricht verbreiteter menschlicher Mentalität. In Top-Teams darf das aber nicht geben. Da müssen die Spieler selbst gegensteuern und es verhindern. Es ist nämlich nicht von oben zu verordnen. Von jedem Einzelnen ist ein Höchstmaß an „Commitment“ verlangt.

LaMannschaft-4Aufgabe von Führung – von Team-Chefs in allen Bereichen und auf allen Ebenen – ist, die Strategie zu kommunizieren und die Bedingungen für funktionelle Kooperation und gutes Miteinander zu schaffen. Löw und Co. betonen immer wieder, wie wichtig soziale Kompetenzen und Kommunikation für „La Mannschaft“ sind. Kommunikation meint nicht, viel miteinander zu reden, sondern gut miteinander zu reden – so, dass Verständigung erzielt wird. Das gelingt nicht dadurch, dass einer lange Vorträge hält und Zuhörer stumm dasitzen. Es gelingt nur durch Einfachheit, Klarheit, Kürze, Prägnanz und durch ständige Rückversicherung, ob tatsächlich gehört wurde, was gesagt werden wollte. Ohne solche Feedback-Loops entsteht keine gemeinsame, koordinierte, zielgerichtete Aktion – es entsteht keine Mannschaft.

Den deutschen Kickern scheint das recht klar geworden zu sein. Selbst die Stars nehmen sich zurück. Der Weltklasse-Kicker Metzut Özil (Arsenal London) betont: „Wir sind füreinander da. Wir stehen für Erfolg. Was uns als Mannschaft auszeichnet ist unser Zusammenhalt“. Toni Kroos (Real Madrid) sekundiert: „Wir sind eine Mannschaft. Das ist unser Markenzeichen. Weil wir als eine Mannschaft auftreten, haben wir die WM 2014 gewonnen.“ Und Benedikt Höwedes ergänzt: „Dass wir mittlerweile in aller Welt als „Die Mannschaft“ bezeichnet werden, ist schon etwas Besonderes. Und jetzt will „La Mannschaft“ den Titel in Frankreich holen.

Wahre Liebe nur mit Treue?

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Die Paarberater Margot Schmitz und Michael Schmitz zu Gast in der ORF-Sendung „erlesen“ – im Gespräch mit der Schauspielerin Julia Stemberger („Vorstadtweiber), Heinz Zuber (Fernsehclown Enrico) und Moderator Heinz Sichrovsky.

Ausgestrahlt am 3.5.2016 auf ORF III

Change – Sicher! Aber wie?

Trend-Change-KomentarDarwin. Na Klar. Weiß jeder Manager: In einer Welt, die sich ständig verändert, überlebt nur derjenige, der sich schnell genug anpasst. Doch immer wieder bleiben viele auf der Strecke. Es ist offensichtlich nicht einfach. Noch schwerer ist es, selbst Entwicklungen anzustoßen, mit denen die Regeln für den Überlebenskampf neu geschrieben werden – durch Unternehmen, die ganz neue Produkte und Dienstleistungen anbietet. Wie Amazon, Apple, Google, Tesla, Uber.
Zuerst kommen uns Amerikaner in den Sinn. Offenbar können sie es besser. Wir haben in unsere Sprache den Begriff für das übernommen, was sie uns immer wieder vorführen: Change-Management.
Gewiss, auch wir haben Vorzeige-Firmen. Genau so wie die Amerikaner Abstürze verzeichnen. Doch die Treiber von Innovation sind Österreichs Top-Manager nicht gerade. Viele halten an einmal entwickelten Vorstellungen fest, brechen aus ihren Denk-Kategorien nicht mehr aus und wollen sich auch nicht coachen lassen, weil sie meinen, sie würden sich so als inkompetent bloßstellen. Das gilt besonders für die Patriarchen von Familien-Unternehmen und die Vorstände staatstragender Firmen.
Change-Management ist paradox. Manager müssen für Stabilität im Kerngeschäft sorgen und gleichzeitig ständig Neues entwerfen und andere dafür gewinnen.
Oft geht es schief. Weil neue Strategien nicht ausreichend durchdacht sind. Und weil Ideen schlecht verkauft werden. Dann entsteht keine Aufbruchsstimmung. Gute Absichten zerschellen.
Strategie verlangt Entscheidung: Was tun wir und was tun wir nicht, um uns gut zu positionieren und erfolgreich zu sein? Strategie ist harte Arbeit. Sie verlangt kollektive Intelligenz.
Umstände verändern sich nur, wenn die Menschen sich verändern, die die Umstände herstellen. Menschen verändern sich nur, wenn sie müssen. Wenn sie spüren, dass es dringlich ist. Solange es einem Unternehmen noch einigermaßen gut geht, erleben Mitarbeiter Dringlichkeit nicht. Sie spüren keine Bedrohung und meinen:“ So schlimm ist es ja nicht“ oder „Es wird schon wieder werden“.
Verbreitet ist auch die Haltung, die Notwendigkeit von Veränderung anderen zuzuschreiben und sich selbst auszunehmen. Es fehlt der „sense of urgency“. Wie ist der herzustellen?
Inspiration und Begeisterung erfolgt durch Gefühle. Nicht durch logische Argumente oder nüchterne Zahlen und Daten. Ebenso ist Ablehnung und Widerstand auf Emotionen begründet. Führungskräfte müssen verstehen, welche Gefühle Veränderungsbereitschaft fördern und blockieren.
Wer Angst hat, neuen Anforderungen nicht gewachsen zu sein, tritt auf die Bremse und findet alle möglichen Erklärungen, warum Veränderungen angeblich auf falsche Weg führen. Führungskräfte müssen Ängste verstehen und darauf eingehen. Sie müssen für die, die sich ändern müssen, Perspektiven entwerfen, Ihnen glaubhaft machen, dass sie durch persönliche Veränderung mehr für sich erreichen können.
Dazu gehört, plastisch aufzuzeigen, was passieren wird, wenn Veränderung nicht gelingt. Das kann durchaus Furcht wecken. Aber Furcht, die begründet und die konkret ist. Sie fördert das Bestreben, gegen ihre Ursachen vorzugehen, sich zu schützen.
Change-Manager müssen nicht nett sein. Wer von anderen vor allem gemocht werden will, wird von Mitarbeitern nicht als effektiv wahrgenommen. Das belegt eine Studie, die soeben in der Harvard Business Review veröffentlicht wurde.
Change-Manager dürfen eben sowenig rücksichtlose Pusher sein. Wer Mitarbeiter unter Druck setzt, ihnen nicht zuhört, nicht versteht und nachempfindet, welche Sorgen und welche Hoffnungen sie umtreiben, kann sie nicht für Wandel gewinnen.
Wichtig ist es, klare Prioritäten zu setzen, zu entscheiden, was wirklich wichtig ist und was nicht oder noch nicht. Vor allem Führungskräfte auf oberen Ebenen schieben oft zu viele Projekte gleichzeitig an. Das geht schief. Viele – Führungskräfte und Mitarbeiter – arbeiten ohnehin an ihrer Belastungsgrenze. Ihnen noch mehr abzuverlangen, ohne zu entscheiden, was sie nicht mehr machen müssen, treibt viele in den Frust. Weil sie ihre Aufgaben nicht mehr bewältigen können – nicht so wie es ihren eigenen Qualitäts-Ansprüchen entsprechen würde.
Anstrengungen werden von Change-Treibern oft nicht ausreichen gewürdigt. Stattdessen halten sie sich gern an Fehlern anderer fest und suchen nach Schuldigen. So demotivieren sie alle. Freude, Zuversicht und Antrieb entstehen durch Erfolge. Schon durch kleine Erfolge. Sie müssen gefeiert werden. Denn sie führen zu großen Zielen.