Führungskräfte müssen Coaching können, wollen sie erfolgreich sein. Psychologe und Managementexperte MICHAEL SCHMITZ zeigt in seiner dreiteiligen trend-Serie den Weg dazu auf.
Coaching gehört zu den Kernkompetenzen, die Führungskräfte brauchen. Führungskräfte wollen erfolgreich sein. Doch Erfolge erzielen sie nur durch ihre Mitarbeiter. Ihre vorrangige Aufgabe muss es daher sein, die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern zu fördern. Jeder muss optimal zur Geltung bringen können, was er am besten kann, um für seinen Arbeitsbereich, sein Team, das Unternehmen das Beste herauszuholen. Jeder erfüllt eine besondere Funktion. Sein Handeln muss also funktional sein. Ohne Funktionalität führt die größte Umtriebigkeit zu nichts.
Was zählt: Funktionalität
Funktionalität jedes einzelnen Mitarbeiters verlangt Zusammenarbeit. Arbeit muss nicht nur koordiniert werden. Mitarbeiter müssen kooperieren. Es reicht meist nicht, sich nur um eine einzelne Aufgabe zu kümmern und nebeneinanderher zu arbeiten. Die Montage von Autos gelingt, wenn einzelne Aufgaben in gut koordinierten Prozessen erledigt werden. Die Entwicklung von Autos verlangt Kooperation der Entwickler – sonst passen Fahrwerk und Antrieb nicht zusammen. Die Entwicklung muss zudem mit der Produktion kooperieren, damit die Herstellung in großem Stil gelingt. Entwicklung und Produktion haben sich an budgetäre Vorgaben zu halten. Den Vertrieb und das Marketing frühzeitig miteinzubeziehen, ist ratsam. Denn was technisch möglich oder reizvoll für Entwickler und Produzenten sein mag, ist nicht unbedingt das, was Kunden kaufen wollen. Je komplexer die Aufgaben, die zu erfüllen sind, umso mehr ist Kooperation, also Teamarbeit – Arbeit in Teams und Zusammenarbeit von Teams – erforderlich. Sie müssen verstehen, was sie voneinander brauchen und müssen sich gegenseitig unterstützen. Sie sollen eigene Interessen und Ideen vertreten. Doch ihre Verantwortung geht darüber hinaus. Verantwortlich sind sie nämlich vor allem für das Gesamtergebnis.
Prozesse zu standardisieren, reicht nicht aus, um gute Ergebnisse zu garantieren. Zu managen sind die menschlichen Faktoren, sonst gehen schön gedachte Abläufe nicht reibungslos vonstatten. Das gelingt nur, wenn Führungskräfte verstehen, wie Mitarbeiter „ticken“. Persönliche Fähigkeiten und Ambitionen müssen – von Führungskräften mit anstehenden Aufgaben synchronisiert werden. Führungskräfte müssen so die Funktionalität ihrer einzelnen Mitarbeiter und ihrer Teams fördern. Sie müssen Leistungsbarrieren und Defizite beseitigen und aufmerksam registrieren, wo sich Dysfunktionalitäten zeigen. Diese entstehen, wenn einzelne Mitarbeiter ihre Aufgaben nicht so erfüllen, wie es von ihnen zu erwarten wäre. Das kann begründet sein in unzureichender fachlicher Kompetenz. In solchen Fälle wäre zu prüfen, ob Defizite durch gezielte Schulungen und Trainings auszugleichen sind. Häufiger freilich entstehen Dysfunktionalitäten aus persönlichem Verhalten von Mitarbeitern. Sie zeigen sich, zum Beispiel, in schlechter Kommunikation, Scheu vor Verantwortung oder mangelnder Kooperation.
Zwei Dimensionen: fachlich und sozial
Coaching zielt auf zwei Dimensionen – auf die besonderen fachlichen FertigkeitenundFähigkeiten,überdieMitarbeiter verfügen müssen, um ihre jeweils besonderen Aufgaben erfüllen zu können, und auf die sozialen Kompetenzen, die sie brauchen, um sich mit anderen zu verständigen und zu verstehen, damit die Zusammenarbeit möglichst reibungslos vonstattengehen kann (s. Kasten oben). Welche fachlichen Fähigkeiten erforderlich sind, bestimmt der Job. Von einem Vertriebsmitarbeiter ist eine andere fachliche Kompetenz zu erwarten als von einem Mitarbeiter in einer Entwicklungsabteilung. Journalisten müssen ein anderes Handwerk beherrschen als IT-Kräfte, Automechaniker oder Rechtsanwälte. Eh klar. Vertriebler zum Beispiel müssen über genaue Kenntnisse der eigenen Produkte und Dienstleistungen verfügen und wissen, welches Produkt, welche Dienstleistung welche Bedeutung für ihr Unternehmen hat, was das besondere Angebot ist, wie es sich von Angeboten der Konkurrenz unterscheidet, wie der jeweilige Preis vernünftig zu begründen ist. Ein Mehr an Service – schnelle Verfügbarkeit, bessere Qualität, direktere Kundenbetreuung – kann etwa einen höheren Preis für ein Produkt rechtfertigen.
Die sozialen Kompetenzen für eine gute Zusammenarbeit sind allgemeiner. Wiewohl es auch hier jobbedingte Unterschiede gibt. Die Kommunikation von, sagen wir, Ingenieuren ist anders als die von Krankenpflegern. Allerdings: Nur wenn beide Kompetenzen, die fachlichen und die sozialen, in ausreichendem Maße vorhanden sind, ist Funktionalität im Job, Zusammenarbeit in einer Abteilung, in einem Team, im Unternehmen möglich. Aufmerksame Führungskräfte beobachten, was bei ihren Mitarbeitern gut und was nicht so gut läuft. Was gut läuft, verstärken sie. Was nicht so gut läuft, gehen sie an. Am besten kann das durch Coaching gelingen.
Führungskräfte, die Coaching als Aufgabe verstehen, die sie besser nicht an jemanden von außen delegieren, müssen erkennen, welche Dynamik sich im Miteinander entwickelt, wie diese Dynamik den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit beeinflusst, fördert oder blockiert, wie Aufgaben angegangen und bewältigt und wie Ziele beschrieben, erreicht oder verfehlt werden. Coaching unterstützt Mitarbeiter, Leistungshemmnisse zu überwinden und Potenziale zu entwickeln. So läuft das tagtägliche Geschäft besser und die Entwicklung der „human resources“ geht voran. Gutes Coaching ist akute Hilfe und Zukunftsinvestition. Es nutzt den Mitarbeitern, den Vorgesetzten und dem Unternehmen. Es lohnt sich daher, die Coaching-Kompetenz von Führungskräften auszubilden. In ihrer normalen fachlichen Ausbildung lernen sie es nicht. Selbst in MBA-Kursen wird es nicht gelehrt.
Coaches in Unternehmen arbeiten – ähnlich wie Trainer im Sport – an Team-Fitness: Aufbau von Kraft und Kompetenz, Ausgleich von Schwächen, ausgerichtet auf Ziele, in einem gegebenen (Geschäfts-)Umfeld mit unterschiedlichen Interessengruppen, die Ansprüche und Erwartungen haben. Coaching fördert Performance. Es ist eine Kombination von Fokussierung auf Aufgaben, Prozesse, Kooperation und – Leistung. Coaches unterstützen Teams in ihrer Reflexion und Kommunikation und tragen dazu bei, dass sie besser analysieren, was ihre Ausgangslage ist, wie sie neue Ideen und Zugänge entwickeln, um ihre Aufgaben zu bewältigen, wie sie verstehen und wertschätzen, was sie aus gemeinsamer Anstrengung – und nur aus gemeinsamer Anstrengung – erreichen.
Zum Team-Coaching gehört es, jeden Mitarbeiter darin zu bestärken, Verantwortung zu übernehmen – für die eigenen Beiträge und für die Gesamtleistung. Ein Coach ist ein beharrlicher Treiber, der an Ziele, Commitments und Verantwortung erinnert. Er hilft, Absichten in Handlungen umzusetzen, angemessene Maßnahmen und Abläufe zu planen. Er beobachtet und spürt, welche Gefühle ins Spiel kommen und ob sie das Ziel eher fördern oder behindern.
Führungskräfte sollten zu allen, die sie coachen, ein besonderes Vertrauensverhältnis anstreben. Ein Coach darf sich nicht von Sympathien oder Antipathien leiten lassen. Vor allem hat er Funktionalität im Blick. Er darf keinen Einzelnen oder einzelne Gruppierungen bevorzugen, darf nicht Aufmerksamkeit, Verständnis oder Zuwendung ungleich verteilen.
Was Coaching braucht
Erfolgreiches Coaching bedarf einiger Voraussetzungen: Mitarbeiter müssen bereit sein, sich coachen zu lassen. Sie müssen erkennen, welchen Nutzen sie davon haben können und verstehen, dass Coaching ein Investment in sie ist. DieCoachees müssen auch offen sein und lernen wollen, bereit und fähig, sich zu ändern. Und sie sollten eine Vorstellung davon haben, was sie an sich ändern möchten sowie welche Wirkung sie damit erreichen können.
Coaching ist Förderung, nicht Bestrafung. Es darf nicht verknüpft sein mit der verächtlichen Haltung, „der kriegt Coaching, der hat es nötig“. Damit wird transportiert, Coaching ziele allein auf
persönliche Defizite, sei so etwas wie Therapie für Leute, die eine Macke hätten, und richte sich an die, die es „nicht bringen“. Eben an Minderleister. Damit wird es zur Auszeichnung, kein Coaching angeboten zu bekommen – weil man meint, sich als top-kompetent bestätigt empfinden zu können, als jemand, der es „nicht nötig“ hat. Kein Spitzensportler würde in solche Verirrung geraten. Bei Managern ist das allerdings oft der Fall.
Übereinkunft erforderlich
Seien Sie als Manager aufmerksam dafür, wer Coaching-Bedarf und Potenzial hat, bereit ist, sich coachen zu lassen, willig und fähig ist, zu lernen und sich zu ändern, neue Fähigkeiten zu entwickeln und Dysfunktionalitäten abzustellen.
Dysfunktional ist es zum Beispiel: andere mitten im Gedankengang zu unterbrechen, Bitten um Hilfe zu ignorieren, groß aufzutrumpfen, sich vor anderen zu verschließen, die Schuld für Fehler bei anderen zu suchen. Zeigt eine Person derartiges Verhalten selten und/oder nur in bestimmten Situationen, können Sie davon ausgehen, dass sie sich darauf ohne große Abwehr aufmerksam machen lassen wird und ihre Bereitschaft und Fähigkeit, dieses Verhalten zu korrigieren, relativ hoch sein wird. Zeigt jemand dysfunktionales Verhalten öfter und in verschiedenen Situationen – etwa im direkten Umgang mit Kollegen, in Meetings und bei Kundenkontakten –, ist das ein Hinweis darauf, dass es sich um tiefer verankerte Persönlichkeitseigenschaften handelt. Derartige Eigenschaften sind nur schwer zu korrigieren und meist nicht völlig abzustellen. Auch durch Coaching nicht. Coaching wäre da womöglich eine Fehlinvestition.
Klären Sie mit dem, den Sie coachen wollen, worum es geht – was wichtig ist, was anders werden soll. Coach und Coachee müssen darin übereinstimmen. Vereinbaren Sie Ziele und Maßnahmen, ebenso Ablauf, Rhythmus und Dauer des Coaching-Prozesses. Coaching-Ziele, das persönliche Coaching-Programm, sind von Coach und Coachee gemeinsam zu erarbeiten und zu vereinbaren. Ein strukturiertes Gespräch hilft bei der Klärung (siehe Kasten oben).
Coaching muss ergebnisorientiert sein. Es ist weder Wellness-Programm noch Psychotherapie. Coaching dient dazu, Funktionalität zu erhöhen und Leistung zu verbessern.