Einzelkämpfer haben keine Chance mehr! Die immer komplexeren Aufgaben können nur noch Teams bewältigen. Mit geballter Kompetenz. Doch Teams funktionieren nicht einfach so, sie müssen geführt werden. Ein neuer Ratgeber zeigt, wie.
Ja, es gibt sie noch: Helden! Ein Blick in die Zeitun- gen genügt: “Thielemann erobert Salzburg”, “Van Persie erledigt Piräus im Alleingang”, “Marchionne haucht Chrysler neues Leben ein”, “Bezos lässt sei- ne Effizienzmaschine Amazon weiter auf Hochtouren laufen” oder “Reitzle hat den Konzern neu ausgerich- tet, ihn unabhängig und resistent gegen äußerliche Begehrlichkeiten gemacht und auf eine stabile, Wachstum versprechende Basis gestellt”.
Wahnsinn, was Einzelne so auf die Beine stellen, dazu noch im Alleingang! Liest sich auch gut. Aller- dings schmeckt es irgendwie schlecht, zumindest im Abgang. Weil: Irgendetwas ist da faul, stinkt zum Himmel! Tja, und das ist eben die Mär vom einzelnen Helden. Der sich auf eigene Faust, ungedeckt, in die – wahlweise – politische, wirtschaftliche, sportliche oder anders geartete Schlacht wirft und den Sieg erringt.
Tatsächlich ist das natürlich Quatsch! Ohne ein ful- minantes Orchester hätte der Dirigent Christian Thielemann gar nix erobert; ohne brillante Mit-
spieler hätte Robin van Persie als Sturmspitze von Manchester United wohl kaum Tore ge- schossen, Piräus also nicht erledigt; ohne hoch qualifizierte Teams wäre Sergio Marchionne eher die Luft ausgegangen, statt sie Chrysler einhauchen zu können – und weder Jeff Bezos noch Wolfgang Reitzle stünden mit ihrem Konzern gut da, wenn nicht der Konzern mit seinen Mitarbeitern in jedem Moment hinter ihnen gestanden hätte.
Team = Toll, ein anderer macht’s?
Kurzum: Kein Erfolg ohne Teamarbeit! “Teamarbeit heißt Kooperation und verlangt eine gute Verständigung untereinander, gemeinsame Ziele, Zuordnung von Rollen und Verantwortung, die Fähigkeit, Fehler zu erkennen, Rückschläge wegzustecken, Ideen einzubringen, Meinungs- unterschiede auszuhalten, Konflikte zu lösen, persönliche Ambitionen zurückzustellen, wenn dadurch das Große und Ganze beeinträchtigt würde”, schreibt Michael Schmitz in seinem neu- en Buch Teamcoaching. Grundlagen, Anleitungen, Fallbeispiele. So verstanden ist Teamarbeit für den Autor, der seit vielen Jahren vornehmlich Führungskräfte coacht und als Professor für Psychologie und Management an der Lauder Business School unterrichtet, der Schlüssel zum Erfolg.
Eigentlich einfach! Und zwar in der Theorie. In der Praxis nämlich hapert es an allen Ecken und Enden. Allein das gängige Bonmot “Team – Toll, ein anderer macht’s!” zeugt von der Kluft zwi- schen Idee und Wirklichkeit, zumindest was die hehre Idee angeht, im Team zögen alle gemein- sam an einem Strang. Deswegen dieses Buch, das nicht nur hält, was es im Untertitel ver- spricht – Schmitz erörtert sein Thema von Grund auf, bietet Anleitungen für praktische Umsetz- ungen und illustriert über viele Fallbeispiele –, sondern auf mehr als 300 Seiten sich nahezu jedem denkbaren Aspekt von Teamarbeit widmet: Gruppendynamik, Rollen, Aufgaben, Führung, Konflikte, Krisen, Macht, Emotionen, Diversity et cetera.
Bündel von Fähig- und Fertigkeiten
Im Mittelpunkt steht natürlich die Bildung und Steuerung von Teams, das “Teaming”, oder das “Re-Teaming”, wenn ein Team neu gebildet und entsprechend den aktuellen Anforderungen modifiziert werden muss. Denn letztlich geht es darum, “Teams so effektiv und effizient wie möglich zu machen, um optimale Resultate zu erreichen, etwas zu schaffen, was kein Einzelner und auch keine Gruppe schafft. Ein Team muss wissen, wozu es besteht, was es soll, was sein Zweck, sein Sinn ist.”
Um nur für einen Hauch die praktische Umsetzung zu berühren, geht es dabei um die Ent- wicklung von Fähig- und Fertigkeiten – genauer um ein ganzes Bündel davon, das je nach Team neu zu justieren ist – wie: Wissen, “sich zu verständigen, Konflikte, Krisen und Kom- plexität zu bewältigen, Willensstärke aufzubauen, Emotionen zu verstehen und zu managen, Risiken kompetent zu bewerten, Kontexte zu verstehen, persönliche Energie gescheit zu erneuern, körperlich und geistig gesund zu bleiben, die Regeln und Einflüsse der Macht zu verstehen, passend für die jeweilige Herausforderung zu führen, unterschiedliche Fähigkeiten zu nutzen und Vielfalt zu akzeptieren und wertzuschätzen”.
Teamarbeit besser gestalten
Sein Ansatz, den der Autor “funktionelles Coaching” nennt, bewegt sich auf der Schnittstelle von Psychologie, Managementwissen und -erfahrung, Sport und Neurowissenschaft, Medizin und Philosophie. Aber Schmitz schwebt nicht über den Wolken – allein seine Diktion ist klar, ein- deutig und liest sich kurzweilig -; er bleibt auf dem Teppich, respektive dem Rasen: Viele seiner Beispiele stammen nämlich aus der Welt des Fußballs. Für seine Zielgruppe, Coaches, Trainer und Führungskräfte, ist dieser prinzipielle Pragmatismus ein Plus, auch für sein Ziel: Dass nämlich seine Zielgruppe etwas an die Hand bekomme, um Teamarbeit besser gestalten zu können.
Und die Zeiten könnten dafür nicht günstiger oder drängender sein: Denn mit wachsender Komplexität in allen gesellschaftlichen Bereichen ist der Einzelne überfordert; nur mit Teams, als geballte Kompetenzen, gebündelte Stärken, die organisch funktionieren, sind heutige und künftige Herausforderungen zu bewältigen. Wer also kein Team zustande bekommt, hat schlechte Karten.
Führungskräfte müssen sich an dieser Kompetenz, die das Buch kompetent vermittelt, messen lassen – und könnten sogar am Ende, wenn also der Schlachtruf der drei Musketiere “Einer für alle, alle für einen!” greift, selbst noch gut dastehen: “Die Helden, nach denen wir uns sehnen, sind diejenigen, die es schaffen, viele Menschen auf eine Aufgabe hin zu orientieren, sie oft sogar dafür zu begeistern. Es sind die Personen, die mit der koordinierten Unterstützung anderer Projekte starten, Ziele erreichen, Positionen erobern. Sie üben Einfluss aus, sie verfügen über Macht.”
Rezension von Sascha Hellmann.
Sascha Hellmann ist freier Journalist in Heidelberg. Er arbeitet als freier Mitarbeiter für changeX.