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Teamcoaching

Teamchoaching_bigWarum ist „Team-Coaching“ ein Buch, das Führungskräfte brauchen?
Weil Teamarbeit immer wichtiger wird. Weil komplexe Aufgaben und Herausforderungen nur von Teams zu bewältigen sind – nie von einzelnen. Das Buch erklärt, wie Führungskräfte Teams funktionell aufstellen und anleiten haben, so dass Ziele effektiv und effizient erreicht werden. Was alles zu berücksichtigen ist, wie verschiedene Fähigkeiten ineinandergreifen müssen und welche Rolle menschliche Faktoren. Das Buch vermittelt moderne und wirksame Konzepte von Management und Führung. Eine Anleitung, wie persönliche Interessen einzelner Teammitglieder zu berücksichtigen sind und doch jeder das Große und Ganze anstrebt.

Warum noch ein Buch über Team-Coaching? Es gibt doch schon so viele.
Ich stelle in dem Buch ein neues Konzept vor: Funktionelles Coaching. Das ist Coaching das zielorientiert ist und die wesentlichen Faktoren einschließt und aufeinander abstimmt, die notwendig sind, um optimale Resultate zu erreichen. Es ist ein für Management und Führung neues Konzept – entwickelt aus wissenschaftlichen Studien, Erfahrung und in Analogie zu Methoden des funktionellen Trainings, die heute Top-Teams im Sport angewendet werden.

Was bekommt der Leser geboten?
Fallbeispiele, aus Unternehmen und aus dem Sport, praktische Anleitungen, jahrelange Coaching-Erfahrung, fundiertes Wissen – strukturiert, klar, angenehm zu lesen, unterhaltsam.

Ist es auch ein Buch für Coaches?
Auf jeden Fall. Weil es die verschiedenen Anforderungen des Coachings durchdekliniert und erklärt:
• Was mit einzelnen Fähigkeiten zu erreichen ist, z.B. mit Kommunikation
• Was funktioniert und was nicht
• Was populär, aber trotzdem nicht zum Ziel führt – Testverfahren oder das Credo der emotionalen Intelligenz
• Was oft zu kurz kommt oder nicht berücksichtigt wird – Neuro-Psychologie und Gesundheits-Management
• Wie unter komplexen Anforderungen Kooperation stattfinden muss und wie Führung funktioniert
• Wo mehr rauszuholen ist, wenn verschiedene Fähigkeiten mit einander kombiniert werden, z.B. wenn man versteht, wie das menschliche Gehirn arbeiten, welche Rolle Emotionen spielen und wie sie das Denken und Handeln beeinflussen

Ein Buch mit breiter Perspektive, basierend auf breitem Wissen. Sie müssen wissen, wer im Team welche Funktion anzuleiten und zu coachen. Aufgaben werden immer komplexer und Geschäfts-Umfelder ändern sich immer schneller. Einzelne Manager können die damit verbundenen Herausforderungen allein nicht bewältigen. Das gelingt ihnen nur mit guten Teams. Dort muss jeder wissen, was von ihm erwartet wird, damit Ziele effektiv und effizient erreicht werden. Verlangt ist fachliches Wissen und Teamfähigkeit.

Charmant und skrupellos

Der Management-Professor und Autor des Buchs „Psychologie der Macht” erklärt, warum es Blender auf den Chefetagen so leicht haben.

Wirtschaftswoche-Middelhoff-Hoch
Herr Professor Schmitz‚ halten Sie Thomas Middelhoff für einen guten Manager?
Nein. Für Middelhoff waren die eigenen Interessen wichtiger als die des Unternehmens.

Wie konnte er dann so lange vorgeben, ein Star auf den Chefetagen zu sein?
Er hatte als Bertelsmann-Chef mit dem Verkauf der Anteile am Online-Dienst AOL Europe kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase einen großen Erfolg, davon zehrte er jahrelang. Middelhoff kann sich unheimlich gut verkaufen. Er ist selbst bewusst. hat ein großes Ego – so groß, dass es schon im Grenzbereich zum Narzissten liegt. Menschen mit narzisstischen Zügen kommen leichter nach oben, weil sie häufig sehr charmant, gleichzeitig aber auch skrupellos genug sind, um sich durchzusetzen.

An welchem Punkt, hätten alle merken müssen, dass Middelhoff ein Blender ist?
Spätestens als Arcandor schon nicht mehr zu retten war und Middelhoff trotzdem noch nach Optimismus verbreitete. Seine Botschaft lautete bis zum bitteren Ende: Es gint noch Hoffnung, ich schaffe das. Da hätte jedem klar sein müssen, dass dieser Mann den Bezug zur Realität verloren hat. Er hat nur noch die Informationen wahrgenommen, die ihn in seinem Handeln bestätigten. Schlechte Nachrichten sind an ihm abgeprallt.

Selbst auf der Anklagebank hat keine Fehler eingestanden. Woran liegt das?
Es geht ihm tun seine Entscheidungsgewalt. Er ist fest davon überzeugt, dass es sein Recht war, den Hubschrauber zu nehmen, um nicht im Stau stehen zu müssen. Etwas anderes lässt er sich auch von einem Gericht nicht sagen.
Selbstüberschätzung hängt immer auch mit der Entwertung anderer zusammen. Sein unverfrorneres Lächeln auf der Anklagebank war nicht gespielt, Middelhoff denkt immer noch, dass er der Größte ist.

Ist des eine natürliche Folge der Macht?
Macht hat immer Auswirkungen auf einen Menschen. Und oft fallen die negativ aus. Ein Beispiel: Viele reflektieren sich nicht mehr selbst und wählen danach auch ihr Umfeld aus: Sie umgeben sich nur noch mit Ja-Sagem, kritische Stimmen werden aus dem Weg geräumt.

Ein weiteres Beispiel?
Wenn für einen Manager nur die eigene Meinung zählt. wird es gefährlich. In unserer gloablisierten Welt kann nicht einer allein sämtliche Entscheidungen fällen.
Dazu sind die Abläufe in einem Unternehmen zu komplex. An einer solchen Alleinherrschaft ist auch Ex-Daimler-Vorstandschef Jürgen Schrempp gescheitert. Er hat viele Feldentscheidungen getroffen, weil er nicht auf andere hörte.

Welche Dax-Chefs lassen denn auch andere Meinungen zu?
Das lässt sich von außen schwer beurteilen. Aber Henkel-Vorstandschef Kasper Rorsted oder der Deutsche-Bank-Lenker Frank Appelt vermitteln eher das Gefühl, dass sie den Diskurs suchen. Die wissen, dass sie nicht alles wissen.

Burn out – die Krankheit des 21. Jahrhunderts

Krone_18Nein, es ist kein neues Leiden, sondern der schief gegangene Versuch der modernen Generation, die auf beinahe 24 Stunden Arbeitseinsatz setzt. Menschen versuchen sich für ihren Arbeitseinsatz fit zu halten: Erst erhöhen sie die tägliche Arbeitszeit, dann vermindern sie die Pausen, schließlich sind sie auch am Samstag tätig, verzichten auf ein Privatleben. Zusätzlich gehen sie laufen und ins Fitnesscenter, nehmen tagsüber Energydrinks und abends Beruhigungsmittel zu sich, um schlafen zu können. Dennoch kommt es immer häufiger zu depressiven Durchbrüchen, Angstzuständen und Panikattacken.
Selbst freie Tagehelfen nicht mehr. Die Arbeitsfähigkeit ist nicht aufrechtzuerhalten, weil die Leistung stets weniger und schlechter wird, obwohl sich Betroffene dafür immer mehr Zeit nehmen. Das hat es immer schon gegeben– nicht aber den dauerhaften „Zugriff“ auf den Einzelnen mittels e-mail, sms, Handy, also 24 Stunden-Erreichbarkeit und daraus resultierende Freizeitlosigkeit. Daher „erwischt“es immer mehr und schneller Menschen, lässt sie physisch und psychisch zusammenbrechen. Nicht schneller und dauerhafter arbeiten ist die Lösung. Pausen machen, privat leben, Freizeit erlauben und gestalten tragen zur Heilung bei! Verzweifeln Sie nicht, Sie können etwas ändern! Starten Sie einen Neuanfang und suchen Sie sich Unterstützung. Hilfe annehmen zu lernen heißt das Leben wieder entdecken und sich selbst erkennen. Sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt darüber.

Unterstützung holen bei Angststörungen

drSchmitzFrage: Eine Freundin hat mir anvertraut, dass sie glaubt, an Angststörungen zu leiden. Wie kann ich sie unterstützen und was kann sie dagegen tun?

Univ.-Doz. Dr. Margot Schmitz, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Wien:
Aktiv mit einer Freundin darüber zu sprechen ist bereits ein heilsamer Schritt. Man sollte sich klar werden, wovor man Angst hat, und dann Hilfe in Anspruch nehmen. Sei es eine Selbsthilfegruppe, ein Therapeut oder ein Ratgeberbuch.

Daran leidet Österreich

DaranLeidetOesterreich2

Am Vormarsch Schätzungen zufolge sind rund 1,2 Millionen Österreicher psychisch krank – bei steigender Tendenz und hoher Dunkelziffer.

Gabi leidet an Burnout, Christoph ist depressiv, Michael schläft kaum noch und die siebenjährige Hanna muss wohl Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) haben – denn anders kann sich die Lehrerin die Konzentrationsschwäche der Kleinen schließlich nicht erklären. Psychische Erkrankungen sind am Vormarsch, Untersuchungen zufolge leidet rund jeder siebte Österreicher daran.
Nur eine Mode?

Genau wie in allen anderen Lebensbereichen, sind auch in der Medizin Trends zu beobachten. Krankheiten, die räumlich oder zeitlich begrenzt auftreten, werden oft abwertend und kritisch als „Modekrankheiten“ bezeichnet. Was im Mittelalter die Pest, während der Renaissance die Melancholie, in der Aufklärung die Syphilis und im frühen 20. Jahrhundert die Tuberkulose war, sind heute Burnout, Boreout und ADHS.

Gemeinsam haben diese Krankheiten, dass ihre Symptome unscharf definiert und schwer zu objektivieren sind. Diese Unschärfe ermöglicht es, eigene Symptome als mögliche Krankheiten zu interpretieren. Eine vermehrte mediale Präsenz bestimmter Krankheitsbilder schärft auch bei den Behandlern das Bewusstsein für deren Existenz, sie werden dadurch öfter diagnostiziert. Doch Vorsicht: Nur weil eine Erkrankung als „Modekrankheit“ bezeichnet wird, heißt das im Umkehrschluss aber noch nicht, dass der Leidensdruck der Betroffenen weniger ernst zu nehmen ist.

 
 

Teures Leid

Die Anzahl der Neuzugänge in die Invaliditätspension aufgrund psychischer Erkrankungen hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten fast verdreifacht, rund 120 Millionen Euro werden pro Jahr für Psychopharmaka ausgegeben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO erwartet für das Jahr 2030 sogar, dass global gesehen Depressionen vor Herzkrankheiten, Demenz und Alkoholismus auf Platz eins der häufigsten gesundheitlichen Einschränkungen der Bevölkerung stehen werden. In Österreich leiden 900.000 Menschen an einer psychischen Erkrankung, 840.000 davon werden mit Tabletten behandelt. Rechnet man die geschätzte Dunkelziffer von rund einem Drittel ein, so dürften in Österreich etwa 1,2 Millionen Menschen psychisch krank sein. Neben der persönlichen Belastung für die Betroffenen ist das auch eine Nagelprobe für unser Gesundheitssystem. Psychische Erkrankungen verursachen in Österreich jährlich volkswirtschaftliche Kosten von rund sieben Milliarden Euro.

Ursachensuche

Ob die Zahl psychisch Erkrankter tatsächlich zunimmt, oder einfach die Hemmschwelle, wegen dieser Leiden einen Spezialisten aufzusuchen, sinkt, kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit gesagt werden. Fest steht allerdings, dass der Informationsstand über psychische Erkrankungen gestiegen ist. Viele Menschen sind daher sensibilisiert und reagieren schneller auf etwaige Symptome.
Nicht zu vernachlässigen ist auch die Zahl der Altersdepressionen. Analog zur steigenden Lebenserwartung nimmt auch die Zahl der Altersdepressiven zu.
Im Gegensatz zu physischen Erkrankungen gibt es für psychische Leiden selten standardisierte Therapien, das hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass deren Ursachen vielfältig sind. Je nach Krankheitsbild muss der Behandler auch individuelle Behandlungsstrategien festlegen. Bei Depressionen besonders zielführend sind beispielsweise eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva, kombiniert mit einer langfristigen Psychotherapie. In vielen Fällen ist es wichtig auch das soziale Umfeld wie Arbeitsplatz, schulische Situation, Lebenspartner oder familiäres Umfeld in die Therapie mit einzubeziehen.

Text von Claudia Hilmbauer.

Dr. Margot Schmitz

Univ.-Doz. Dr. Margot Schmitz Fachärztin für Psychiatrie & Neurologie, Leiterin des Instituts für Psychosomatik

„Gelitten wurde schon immer“

Gibt es in Ihrer Praxis derzeit einen Trend zu beobachten? Mit welchem Verdacht kommen Patienten häufig zu Ihnen?
Schmitz: Viele Patienten kommen mit Selbstdiagnosen, vor allem Panikdiagnosen, Aufmerksamkeitsstörung und Demenzbefürchtungen sowie Burnout. Früher waren das eher Stress und Fatigue. Hat man einen Verdacht, ist es wichtig, dass man an den richtigen Experten gelangt. Es ist wie mit der Speisekarte im Restaurant: Der Vegetarier will auch nicht im Steakhaus landen. Wir sind ein Burnout-Center und haben uns darauf spezialisiert.

Woran liegt es, dass psychische Erkrankungen derart zunehmen?
Schmitz: Gelitten wurde schon immer. Aber die Arbeitsfähigkeit wird stärker gefordert. Einen Tag, an dem Sie nichts leisten können, können Sie sich als Arbeitnehmer nicht mehr leisten. Die Anforderungen an jeden sind härter, es gibt keine Schonposten mehr.

Kann man psychischen Erkrankungen irgendwie vorbeugen?
Schmitz: Ja, mit Genuss! Freude an der Arbeit, an Freunden, Pausen, gutes Essen, Sex, Neugier und Bewegung können enorm dazu beitragen!

Wie haben sich „Modeerkrankungen“ in den letzten Jahren entwickelt?
Schmitz: Was man früher „Managerkrankheit“ oder „Neurasthenie“ genannt hat, heißt jetzt Burnout oder Leistungsknick.

Wie sinnvoll sind Selbsttests in Zeitschriften oder im Internet?
Schmitz: Selbsttests sind Orientierung und Desorientierung zugleich. Ein kluger Kopf kann das richtig einordnen, ein Hypochonder oder Angsthase kann immer Krankheit und Angst bedienen. Jeder Test hat etwas Richtiges und Falsches zugleich, er kann Orientierung geben, dem Ergebnis sollte aber nur im Zusammenhang mit einer vernünftigen psychologischen und medizinischen Beurteilung Bedeutung zukommen.

 

„Auch psychischen Erkrankungen kann bis zu einem gewissen Grad vorgebeugt werden. Ein genussvolles Leben hilft!“

Depression – mehr als nur ein Stimmungstief

innenwelt_Depression-mehr-als-nur-ein-Stimmungstief_August-2014 Univ.-Doz. Dr. Margot Schmitz ist Psychiaterin, Neurologin und Leiterin des Instituts für Psychosomatik in Wien. Die innenwelt sprach mit ihr über die kognitiven Symptome der Depression und die dadurch entstehende Orientierungslosigkeit im eigenen System und wie Routine, Struktur und adäquate therapeutische Unterstützung den Betroffenen helfen kann.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Wie kann man sich die kognitiven Symptome einer Depression vorstellen?

Während einer Depression ist es so, dass der Filter, über den jede Form von Aufmerksamkeit und Orientierung läuft, sozusagen verstopft ist. Weil unser limbisches System unterscheidet, ob etwas für uns wichtig ist, nicht wichtig, fröhlich, traurig oder ängstlich. Sobald dieser Filter nicht funktioniert, macht die Welt keinen Sinn mehr, und den Betroffenen wird es unmöglich, sich in ihrem Wissen zu orientieren. Eine Depression macht abwesend für alles, was man in der Minute entscheiden sollte, weil alles negativ ist und ein Einheitsbrei und ängstigend.

Wie entwickelt sich der Verlust der kognitiven Fähigkeiten?

Das ist unterschiedlich. Es gibt Depressionen, wo die kognitiven Leistungsfähigkeiten wie mit einem Klick weg sind, und es gibt diese berühmten Tagessschwankungen. Da machen die Leute am Abend normale Pläne, die sie aber in der Früh nicht durchführen können, und erst im Laufe des Tages wird das wieder besser.

Können den Betroffenen im Alltag Routinen und Strukturen helfen?

Ja, es gibt ja schon Berufe, die aus Routine bestehen, wo ich mich, auch wenn es mir heute nicht gut geht, erinnern kann, wie es gestern war, und wie ich es gestern erledigt habe, und egal, ob es mich interessiert oder nicht, erledige ich 
es wie am Tag zuvor. Dazu muss ich garnichts spüren. 
Und ich habe so eine Kundenfreundlichkeit drauf, die ich auch dann drauf
habe, wenn es mir schlecht geht.

Wie sehr beeinträchtigen die kognitiven Störungen den Alltag der Betroffenen?

Die kognitiven Störungen beeinträchtigen den Alltag beträchtlich. Man muss auch sagen, dass es vielen Menschen sehr viel Angst macht, besonders weil sie befürchten, dass sie diese ihr Leben lang haben und langsam „verblöden“. Die meisten schaffen aber auch wirklich nichts, was Konzentration erfordert. So merken sie sich zum Beispiel in den Sprechstunden nichts, müssen alles aufschreiben oder wissen teilweise nicht mehr, wie sie ihre Medikamente einnehmen sollen. Geduld ist hier wirklich sehr wichtig – und das regelmäßige Wiederholen von Informationen.

Fällt dies den Betroffenen selbst auch auf?

Natürlich. Man sagt, es gibt einen Unterschied zwischen Depressiven und Dementen: Depressive haben Angst, dass sie sich nichts merken können und nichts leisten, erbringen aber objektiv betrachtet noch gute Leistungen, während Demente fröhlich und quietschfidel sind und ihr Umfeld beschuldigen, dass es sie für dumm hält. Das ist ein großer Unterschied.

Was ist bei der Therapie besonders wichtig?

Es gilt immer das Drei-Säulen-Modell: Eine Säule ist die Medikation, wenn zum Beispiel die Arbeitsfähigkeit stark beeinträchtigt ist, eine Säule ist Entspannung und Ausdauertraining und die dritte Säule ist Forschung nach Ursachen und dem Zustandekommen – was hat das Leben an Belastungen gebracht, dass es so ist, wie es ist?

Kann man die drei Säulen bei allen Patienten anwenden?

Wenn eine Depression einen klaren Entstehungshintergrund hat, dann werden sie mit Medikamenten nicht weit kommen und umgekehrt: Gibt es beispielsweise eine biologische Ursache, so werden sie mit Erklärungen und Ursachenforschung nicht weit kommen. Und manchmal hat man riesige Mühe mit
Patienten, die eine vorgefasste Meinung haben,
wie ihre Therapie aussehen muss. Zum
Beispiel wenn vehement die Meinung vertreten
wird, dass keine Medikamente eingenommen
werden. Das gibt es immer wieder.
Manche können sich den Luxusstandpunkt
leisten und leiden halt dann grauenhaft, und
anderen bleibt keine Wahl, weil sie sich sonst
gar nicht zurechtfi nden. Die müssen dann den
Therapieempfehlungen des Arztes Folge leisten. Das Um und Auf jeder Therapie ist aber, dass man sein Leben verändern kann, damit sich die Welt nicht mehr so leidvoll darstellt wie in dem Moment. Man lernt auch, wie man sich selbst besser helfen kann oder sich selbst beruhigen kann. Das ist sehr wichtig.

Erschweren die kognitiven Störungen nicht auch die Therapie?

Ja, wenn es zu schlimm ist, sind die Leute nicht therapiefähig. Sie sind zum Beispiel einer analytischen Therapieform nur dann zugänglich, wenn es ihnen nicht zu dramatisch schlecht geht. Das geht gar nicht anders. Wenn es jemandem so schlecht geht, dass er sich nichts merkt, wie soll man dann therapieren? Das Wichtigste ist in diesem Fall, den Patienten zu entlasten und zu stützen.

Haben Sie Tipps oder Anregungen für Betroffene?

Das Wichtigste ist, genau hinzuschauen und sich nicht vor der Diagnose zu fürchten. Es gibt einfach Krisen, die treten einmal im Leben auf. Da muss man sich nicht gleich fürchten, dass sie ein Leben lang dauern werden. Man kann Krisen überwinden und depressive Episoden hinter sich lassen. Und es ist ganz wichtig zu betonen: Eine Depression ist keinesfalls eine Charakterschwäche. Jeder anständige Mensch ist hoffentlich irgendwann einmal depressiv, weil sonst hat er irgendwas im Leben nicht verstanden. Allein den eigenen Anstand durchs Leben zu retten, muss depressiv machen.

Wer fliegt über das Kuckucksnest?

Die allgemeinen Vorurteile gegenüber Psychopharmaka scheinen nach wie vor einzementiert zu sein. Angesichts der heute zur Verfügung stehenden weitgehend optimierten Substanzen besteht dazu kein Grund mehr, meinen Experten, doch sie wissen auch, dass noch viel zu tun bleibt, um das Stigma der Psychopharmaka zu mildern.

Psychische Erkrankungen und Störungen des seelischen Wohlbefindens sind verantwortlich für 20 bis 25 Prozent der ,,burden of diseases” in der Europäischen Union. Dennoch: Das Stigma, das diesen Erkrankungen, den davon Betroffenen, ihren Behandlern und deren Methoden anhaftet, ist nicht nur ungebrochen, sondern die diesbezüglichen Ressentiments sind laut neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen heute sogar vielleicht schlimmer als je zuvor. Sie betreffen im Besonderen auch die Medikamentengruppe der Psychopharmaka, die nach wie vor im Ruf stehen, abhängig zu machen, die Persönlichkeit zu verändern, nur dazu zu dienen, Patienten ruhig zu stellen oder aber gar nicht zu wirken und so weiter.

Psychoklischees mit langer Tradition. Die Frage ist, woher diese Vorurteile kommen, und die Suche nach der Antwort führt unter anderem prominent zur medialen Darstellung von Psychiatrie, Psychiatern und deren Patienten, die übrigens eine sehr lange Tradition hat. Schon in der Stummfilmzeit gab es kurze Hol lywood Filmchen zu dieser Thematik, in denen beispielsweise Psychiater-Klischees, die bis heute überdauern, vor einem hochinteressierten Publikum gezeigt wurden. Da gibt es den liebenswerten, etwas schrulligen und lächerlichen, doch sehr bemühten Seelendoktor, andererseits den,,verrückten” Wissenschaftler, der seine Patienten ausbeutet oder ihre Krankheit böswillig erst erzeugt, und es gibt den ,,idealen” Heiler mit nahezu übermenschlichen Kräften, der Garant für Hilfe und Heilung repräsentiert.

Das ,,Kuckucksnest” und seine Wirkung

Diese Filme fanden großen Anklang, die Tradition lief also weiter und führte in den 1970er Jahren zum Siegeszug eines Films von Milos  Forman mit Jack Nicholson in der Hauptrolle, der 1975 nicht nur alle fünf Hauptoscars abräumte, sondern tatsächlich Geschichte geschrieben hat und die allgemeine Meinung über,,die Psychiatrie” bis heute prägt – Sie wissen es längst: ,,Einer flog über das Kuckucksnest” ist der Streifen, von dem die Rede ist, und mit diesem Film wurden bis heute auch Vorurteile über die Behandlung von psychiatrischen Patienten mit Elektroschock und Medikamenten, die Gefährdete Patienten-Adhärenz. Tatsächlich ist die allgemeine Haltung gegenüber Psychopharmaka eben auch heute noch mehr als ,,kritisch”, während die medikamentöse Behandlung in anderen medizinischen Disziplinen relativ hohe Akzeptanz findet und lnnovationen überwiegend positiv wahrgenommen werden.,,Betroffene und Angehörige bleiben davon naturgemäß nicht unberührt. Hier haben mediale Berichte einen beträchtlichen Einfluss auf die Meinungsbildung und können die für den Krankheitsverlauf oft entscheidende Adhärenz der Patienten im Hinblick auf die Therapie potenziell gefährden”, sagte etwa auch Prim.

Dr. Christa Rados von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin im LKH Villach bei einer im November 2013 abgehaltenen Pressekonferenz zum Thema ,,Psychopharmaka – Segen oder Fluch“.

Pauschale Verurteilungen

Fatal ist in diesem Zusammenhang auch die meist pauschale Beurteilung von Psychopharmaka, bei denen es sich in Wirklichkeit ja um ein breites Spektrum sehr unterschiedlicher Wirkstoffe handelt, deren lndikationen, Wirkweisen und Nutzen-Risiko-Profil so vielfältig sind wie das Einsatzgebiet im Rahmen der unterschiedlichen psychischen Störungen. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang sprach Univ.-Prof. Dr. Michael Freissmuth, Leiter des lnstituts für Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien, an.

,,Für Laien schwer zu verstehen ist etwa die verzögert einsetzende Wirkung von Psychopharmaka, die bei Depressionen und Schizophrenie zum Einsatz kommen. Das Gehirn ist aber ein plastisches Organ, in dem synaptische Kontakte ständig neu organisiert werden. Die Nervenzellen lernen mit dem neuen lnput fertig zu werden, sie werden reprogrammiert, weil sich ihre Genexpression ändert. Das dauert eben.” Hinzu kommt, dass es zum Beispiel bei Antidepressiva nicht nur einer gewissen Zeit bedarf, bis sie wirken, auch die Nebenwirkungen sind in den ersten Tagen am stärksten, verschwinden aber im Lauf der Zeit zumeist nahezu vollständig. Darüber müssen die Patienten aber auch ausreichend informiert werden.

Einnahme als Niederlage

Zu den Spezifika, mit denen Arzte bei der Verordnung von Psychopharmaka in der Praxis noch häufig konfrontiert sind, 9ehört die Tatsache, dass viele Menschen die Einnahme dieser Medikamente als Niederlage erleben. Dr. Georg Schönbeck, niedergelassener Facharzlfür Psychiatrie und Neurologie, betonte daher: ,,Es ist sehr wichtig, sich als Arzt die ZeiI zu nehmen, den Patienten zuzuhören, ihre Ängste ernst zu nehmen und sie ausreichend aufzuklären.” Der Facharzt wies auch darauf hin, dass es hier des Wissens und der Erfahrung, aber auch des nötigen Einfühlungsvermögens des behandelnden Facharztes bedarf. ,,Nur so können Ängste und Vorurteile sowie andere Hürden bei der Therapie psychiatrischer Erkrankungen gemeistert werden.”

Das Ende der Fahnenstange

Tatsächlich steht heute auch eine breite Palette von Arzneistoffen zur Verfügung, die es ermöglicht, die Therapie unter Berücksichtigung bestehender Begleit-erkrankungen zu optimieren. Freissmuth dazu: ,,ln vielen Bereichen ist die Selektivität der Substanzen soweit optimiert, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist: Was etwa Antidepressiva betrifft, so ist es kaum mehr möglich, noch selektivere Serotonin Wiederaufnahmehemmer zu erzeugen.”

Wenn sich die Frage nicht mehr stellt

Soweit so gut, doch es geht auch um die Frage, wie man Menschen dazu motiviert, in ihre psychische Gesundheit zu investieren, und wie Univ.-Doz. Dr. Margot Schmitz vom Institut für Psychosomatik erklärte, sei Zeit auf Arzt  wie auf Patientenseite dabei unbedingt erforderlich, denn heute wisse man, dass rasche Erfolge auch noch unter so großem Druck sicher nicht zu erzielen seien. Zudem gebe es Fälle, in denen die Gabe von entsprechenden Psychopharmaka unabdingbar sei. Beispielsweise der,,Totalausfall” von Gefühlen bei einer Depression, in Paniksituationen oder beim ,,Ultragau” der Gefühlsüberflutung in der Schizophrenie.

Schmitz: ,,Die Frage, ob man Psychopharmaka ablehnt, stellt sich dann ganz einfach nicht. Nur mit Hilfe einer entsprechenden Medikation kann der,,Gefühlsstrom” wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. 0hne diese ,,Basisversorgung” der inneren Gefühlswelt gibt es keine Freiheit und keine Therapiefähigkeit durch die unterschiedlichen Angebote der Psychologie und Psychiatrie.”

Psychopharmaka: Mythen und ihre Widerlegung

Psychopharmaka machen abhängig.

Viele, heute zur Behandlung psychischer Erkrankungen eingesetzte Medikamente wie z.B. Antidepressiva machen nicht abhängig und können auch wenn sie über einen längeren Zeitraum eingenommen wurden, problemlos wieder abgesetzt werden. Lediglich bei Tranquilizern gibt es ein erwiesenes Gewöhnungsrisiko. Diese werden jedoch in der exakten psychiatrischen Behandlung üblicherweise nur kurzfristig zur Beherrschung von Akutsymptomen und nach ausführlicher Aufklärung des Patienten eingesetzt.

Psychopharmaka verändern die Persönlichkeit.

Die Persönlichkeit kann durch Psychopharmaka nicht beeinflusst werden. Vielmehr helfen Medikamente – z. B. Antidepressiva bei schweren depressiven Episoden – die persönlichen Stärken und Eigenheiten wieder leben zu können.

Psychopharmaka dienen nur dazu, Patienten ruhig zu stellen

Die meisten Psychopharmaka wirken nicht sedierend. Lediglich bei bestimmten Medikamenten ist eine dämpfende Wirkung gegeben, die in diesen Fällen auch erwünscht ist – z.B. bei der Behandlung von Angstzuständen, Schlafstörungen oder Erregungszuständen, wobei es durch die beruhigende Wirkung zum Abklingen quälender Symptome kommt.

Einmal Psychopharmaka, immer Psychopharmaka

Behandlungen psychischer Erkrankungen erfordern meist einen mehrmonatigen Behandlungszeitraum. Auch Dauertherapien zur Rückfallverhütung können bei schweren Erkrankungen indiziert sein. ln der somatischen Medizin ist eine langfristige Therapie bzw. Dauermedikation z. B. bei Bluthochdruck oder Diabetes mellitus eine selbstverständliche Praxis. Dies sollte daher auch bei vergleichbarer

Chronizität psychiatrischer Diagnosen anerkannt werden.

Psychopharmaka wirken nicht Studienergebnisse belegen, dass die Wirkstärken der meisten Psychopharmaka den Wirkstärken, die beispielsweise in der lnneren Medizin gegeben sind, zumindest gleichwertig sind. Psychopharmaka behandeln nur Symptome, Heilung ist nur durch Psychotherapie möglich. Es ist vielfach erwiesen, dass eine Kombination aus medikamentöser Behandlung und Psychotherapie den besten Effekt erzielt. Bei schweren Krankheitsbildern ist eine Psychotherapie auf Grund der beeinträchtigenden Akutsymptome vorerst oft nicht möglich. ln diesen Fällen kann durch pharmakologische Vorbehandlung eine Besserung erzielt werden, die die Voraussetzung für den weiteren psychotherapeutischen Zugang darstellt. Eine effektive Therapie verbindet heute Psychopharmaka UND Psychotherapie – jedes zu seiner Zeit. nicht möglich. ln diesen Fällen kann durch pharmakologische Vorbehandlung eine Besserung erzielt werden, die die Voraussetzung für den weiteren psychotherapeutischen Zugang darstellt.

Eine effektive Therapie verbindet heute Psychopharmaka UND Psychotherapie – jedes zu seiner Zeit.

Kaste der Gaukler

Kaste-der-Gaukler

Ein bloß 29-jähriger Ex-Consultant rechnet mit McKinsey und Co brutal ab. Der Junge fährt schweres Geschütz auf, hat bei aller Wildheit aber stichhaltige Argumente.

Der Junge traut sich was. Frontal greift er eine Kaste an, die in der Wirtschaft, weltweit, herausragt als Macht – die großen Strategieberater-Unternehmen, angeführt von McKinsey, Boston Consulting, Bain, Roland Berger und einer Handvoll weiterer Global Player. Er deklariert sie als Bande von unsicheren, überambitionierten Leistungsfanatikern („insecure overachievers“), die nur geschickt das Imagepflegen, sie könnten jedem Unternehmen den Weg zu dauerhaftem Erfolg weisen. Tatsächlich, so Benedikt Herles, Autor des kürzlich erschienen Buches „Die kaputte Elite“ seien die McKinseys und Co., Illusionskünstler, die mit „scheinbar wissenschaftlichen Methoden“ ihren Kunden die Beherrschbarkeit einer komplizierten Welt „vorgaukeln“. In Wahrheit täuschten sie mit aufgeblasenem Berater-Vokabular, voluminösen Präsentationen und uniformen Standard-Konzepten eine Kompetenz vor, über die sie gar nicht verfügten.
Wer, wie Herles, so schweres Geschütz auffährt und es, im Alter von 29, laut krachen lassen will, begibt sich in Gefahr, als marktschreierischer Wichtigtuer abgestempelt und nicht ernstgenommen zu werden. Tatsächlich riskiert der Autor eine große Lippe. Er provoziert. Er übertreibt. Er generalisiert.
Aber dahinter stecken kernige Argumente. Herles kennt die Kaste von innen. Er gehörte selbst zu ihr, war Berater in einem der führen- den Unternehmen, das eine beeindruckende Kundenliste ausweist. Rekrutiert, nach VWL-Studium und Promotion, als „high potential“, mit der Prognose einer steilen Karriere. Jetzt ist er ausgestiegen und rechnet ab.
Mit professioneller Schwarzmalerei, so seine drastische Betrachtung, strebe die Beraterbranche nach Aufträgen. Sie konfrontiere potentielle Kunden mit Schreckensszenarien, erfinde wechselnde Krisen, beschreibe die Welt als gefährlich komplex und unüberschaubar. Eifernd warne sie vor falschen Analysen und fatalen Irrtümern. Um sich sodann als Retter zu präsentieren. Als diejenigen, die den Durchblick haben, wissen wo es lang geht, die aus ihrer Werkzeugkiste die „tools“ hervorholen, mit der jede Unternehmens-Maschinerie auf Erfolg eingestellt werden kann.
Doch so smart sind sie dann wohl doch nicht. „Am Ende erzählten wir dem Kunden, was er hören wollte – oder was ihn dazu bringen sollte, noch mehr Beratungsprojekte einzukaufen“, fasst Herles zusammen. Letztlich gehe es darum, die in der Akquise vorweggenommenen Empfehlungen zu bestätigen. So werde gewährleistet, dass der Kunde bekomme, was er erwarte – und woran er Gefallen finde. Die verkauften Konzepte seien weniger analytisch, weniger auf dem konkreten Fall bezogen, vielmehr generisch – hergestellt nach der Methode „copy-paste“.
Jongliert wird gerne mit Zahlen. Was Unternehmens-Berater als messbar darstellen, besitzt Überzeugungskraft, für sie selbst und für ihre Kunden. Gemeinsam pflegen sie den Mythos, was nicht zu messen sei, sei auch nicht zu managen. Tatsächlich gibt es viele Faktoren, die wirtschaftliche Prozesse beeinflussen, die nicht zu messen sind. Das gilt in besonderer Weise für menschliche Faktoren: Management-und Führungs-Fähigkeit, kommunikative Kompetenz, Engagement, Verantwortung, Vertrauen. Solche Faktoren vernachlässigt die Branche lieber. Als reichte es, Prozesse zu definieren und mit Kennzahlen zu versehen.
Um dem Kunden gegenüber überzeugender aufzutreten, erzählt Herles, führen Berater Zahlen in ihre Präsentation ein, „die eigentlich gar nicht verfügbar sind“. Sie kreieren „fudge factors“. Übersetzen lässt sich die Wortschöpfung mit „Schummel-Faktoren“. Sie „bezeichnet in der Branche die zusätzlichen Berechnungsgrößen und Variablen, die in Tabellen und Kalkulationen nachträglich eingefügt werden, damit unten das gewünschte Ergebnis steht“. Es ist schlicht fauler Zauber.

„Als Illusions- Künstler bedienen Berater in Zeiten dramatischen Wandels ein Bedürfnis.“

Doch auch als Illusions-Künstler bedienen sie ein Bedürfnis. Gerade in Zeiten dramatischen Wandels und unüberschaubarer Risiken. Sonst könnten sie sich nicht verkaufen. Sie geben Rückhalt. Schwierige und schmerzhafte Entscheidungen lassen sich für Manager leichter darstellen, wenn sie von renommierten Consultants kommen. Oft holt ein Management Berater, um zu rechtfertigen, was es eh vorhat. Führen die Maßnahmen nicht zu den versprochenen Resultaten, können die Manager sich selbst von jeder Schuld freisprechen. Sie haben daher selbst ein Interesse, die Beratungs-Institute als unanfechtbare Instanz darzustellen. So versorgen sie deren Bedürfnis nach Image-Politur.
Wichtiger als evidenzbezogene Kompetenz ist für Berater das Ansehen, mit dem sie hausieren gehen können. Sie treten auf als die Besserwisser. Als Garanten für Erfolg. Dafür investieren McKinsey und Gefolge großes Geld. In ihr Marketing und, geschickt, schon mit ihrem Sponsering von Elite-Universitäten wie zum Beispiel Harvard. Nicht verwunderlich, dass die Lehrenden dort ihren Förderern Preis und Lob spenden statt sie mit kritischen Bemerkung zu konfrontieren. Zur Marken-Bildung gehört der Mythos (nahezu) irrtumsfrei zu sein.
Gleichzeitig liefern die Unis den Beratern ihren Nachwuchs. Besonders begehrt sind in der Branche angeblich kreative Köpfe und Querdenker. Doch Herles beschreibt, wie er seine Vorstellung rasch korrigieren musste. Die Einführung ins Unternehmen erlebte wie einen Initiations-Ritus, er nennt es „in einer Art Management-Überlebenscamp“ – mit Fallstudien, Gruppenarbeit, Vorträgen, gemeinschaftlichen Aktivitäten zur Stärkung des Wir-Gefühls“.
Das Ganze als Indoktrinations-Marathon. Für Schlaf blieben vier Stunden am Tag. Nachdem ihm während einer nachmittäglichen Session einmal die Augen zugefallen waren, musste er sich vor der Trainingsleitung rechtfertigen. Schlapp machen, durfte nicht vorkommen.
„Das Training war Gehirnwäsche.“ So sein Fazit. Newcomer müssen die Beratungs-Philosophie verinnerlichen. „Einmal erfolgreich rekrutiert, ist Köpfchen nicht mehr gefragt. Junge Berater müssen Excel und Power-Point beherrschen, sonst nichts.“
So spitzt er zu. Nicht ohne Übertreibung. Doch was er sonst schreibt, bestätigen mir Berater, die ich coache immer wieder. Pausen kennen sie in ihrem Arbeitsalltag kaum. Eine Deadline jagt die nächste. Gefordert sind sie oft von in der Früh bis in die Nacht. Ihr Liebesleben ist schwer strapaziert. Viele wissen nicht, wie sie Karriere und Beziehung in befriedigender Balance halten sollen. Darüber klagen ihre Partner. Und bleiben chronisch unverstanden zurück. Ausdauernde Aufsteiger nähren fast ausschließlich ihr Bedürfnis nach beruflichem Erfolg, nach Status, Geld und Ansehen. Sonstige Bedürfnisse verkümmern, werden kaum noch gespürt. Mit Anfang 30 sind viele Blitzstarter ausgebrannt, werden bedürfnis – blind, stumpf – oder sie steigen aus.

„Der Verschleiß für Consultants nimmt ganz handfest zu. Immer öfter geraten sie in eine Karrieresackgasse.“

Der Wettbewerb in der Branche ist hart. Und er nimmt immer mehr zu, weil viele Unternehmen nicht mehr so unbekümmert viel Geld für Beratung ausgeben wollen wie früher. Die großen Companys können mit ihren internationalen Netzwerken und viel Insider-Wissen noch eher punkten als die kleineren Firmen. Doch auch sie spüren erheblichen Druck. Bedrängt werden sie von Wirtschaftsprüfern, die sich zu Marktführern im Berater-Business entwickeln.
Die Unterschiede in den Leistungen der einzelnen Groß-Unternehmen sind tatsächlich gering als die Betreiber selbst es darstellen. Mit immer neuen Angeboten und „wordings“ versuchen sie „Alleinstellungsmerkmale“ zu kreieren, oft ohne ihren wirklichen Nutzen überzeugend darzustellen zu können. Im Zweifelsfall behaupten sie alles zu können. „Kein Thema bleibt ausgespart“, monierte kürzlich sogar die FAZ, und beklagte „wolkige Strategieversprechen“. Die Berater, resümiert das Blatt, seien „in die Sinnkrise“ geraten.
Die Boom-Zeiten sind für die Berater-Branche vorbei. Viele Firmen müssen wegen erschwerter wirtschaftlicher Bedingungen ihre Berater-Budgets reduzieren. Für die Kaste gibt es weniger zu verteilen. Umso williger bedienen sie mit enormem Zeiteinsatz jeden Kundenwunsch, damit kein Konkurrent sich in ihr Geschäft drängt.
Der Verschleiß für Consultants nimmt zu. Ganz handfest. Körperlich und seelisch. Zusätzlich geraten sie immer öfter in eine Karriere-Sackgasse. Der Durchlauf im System funktioniert nicht mehr wie früher. Der Aufstieg ist blockiert. Da fragen sich immer mehr Jüngere, ob sie überhaupt im richtigen Job sind.
Zu Klage-Schrift von Herles ist zu resümieren: Der Autor schwingt gern den großen Hammer. Er übertreibt, generalisiert, mitunter fahrlässig, provoziert lieber als abzuwägen. Festzuhalten ist allerdings: Der Junge traut sich nicht nur was, er hat, bei aller Wildheit, stichhaltige Argumente. Die nicht vom Tisch zu wischen sind. Selbst wenn sie mit einer gewissen Gehässigkeit vorgetragen werden. Etwa wenn er aufzählt, wie viele namhafte Ex-Berater gescheitert sind, als sie selbst Management-Aufgaben übernahmen.