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Ein Mann auf dem Schlachtfeld, im Siegestaumel. Braver Diener seines Herrn. Dann eine Prophezeiung, die sich festsetzt wie ein Stachel im Fleisch: Warum nicht selbst König sein? Der Tanz um die Macht beginnt. Auf den Königsmord folgen Aufstieg und Fall eines einstigen Helden, der von Machtgier zerfressen wird. Auch Jahrhunderte nachdem Shakespeare sein Lehrstück niedergeschrieben hat, ist die Thematik aktuell. Michael Fassbender durchlebt aktuell im Kino Machtmechanismen, die noch immer funktionieren. Wo aber setzen sie an? Ein Experte gibt Einblicke:
MICHAEL SCHMITZ: Es gibt viele verschiedene Definitionen. Darunter die von US-Philosoph Alan Goldman: „Macht ist die Fähigkeit, zu kriegen, was wir wollen.“ Und damit hat er ein Verständnis von Macht, das uns alle angeht. Jeder von uns hat eigene Interessen und Ambitionen.
SCHMITZ: Alle Institutionen, die auch eine Hierarchie haben, haben eine Machtstruktur. Und jene, die eine Funktion innerhalb dieser Organisation einnehmen, haben Macht. Ein Manager über seine Angestellten, aber auch Richter, Lehrer, auch Wissen kann Macht sein. Auf einen Nenner gebracht: wenn ich Mittel und Ressourcen habe, die mir erlauben, anderen gegenüber meine Wünsche, meine Bedürfnisse, meine Ziele durchzusetzen.
SCHMITZ: Wenn ich mich durchsetzen kann, erlebe ich das als Stärke – auch wenn das anderen nicht passt. „Macht verführt zu Korruption und absolute Macht korrumpiert völlig“, so ein Befund des englischen Politikers Lord Acton im 19. Jahrhundert. Das ist sehr zugespitzt, aber es gibt viele psychologische Studien, die nachweisen, dass Macht Menschen verändert – auch diejenigen, die mit hehren Zielen nach der Macht greifen, können sich in aller Regel den Verführungen der Macht nicht entziehen. Lady Macbeth befeuert ihren Mann in seinem Machtstreben.
SCHMITZ: Ich kann durch Belohnung gefügig und oft auch loyale Gefolgsleute machen, weil sie durch die Teilnahme an der Macht einen Vorteil haben. Und diejenigen, die ich bestrafe, kann ich zur Anpassung zwingen.
SCHMITZ: Diejenigen, die in einer Machtposition sind, neigen dazu, ihre eigene Meinung für wichtiger zu halten als die von anderen. Das heißt auch, dass sie anderen nicht mehr richtig zuhören, sie nicht mehr richtig ernst nehmen, beratungsresistent sind. Sie schreiben sich selbst einen größeren Anteil an Erfolgen zu, als ihnen gebührt. Damit erkennen sie auch die Leistung anderer nicht mehr richtig an. Mächtige haben für andere weniger Mitgefühl.
SCHMITZ: Hat jemand einmal Macht gewonnen, erlebt er das auch als persönliche Genugtuung und kann nicht von ihr lassen. Um dieses Gefühl zu erneuern, gibt es die Tendenz, Macht immer stärker auszuüben. Macht hat also Suchtpotenzial.
SCHMITZ: Da wird Macht zu einem Rausch, der letztlich zu einem Blutrausch wird. Die unkontrollierte Gewalt entfaltet sich, weil es eben keine Gegenmacht gibt, die sie aufhalten könnte. Letztlich scheitern sie natürlich, denn die Geschichte lehrt uns, dass jede Macht, die versucht, sich absolut durchzusetzen, irgendwann an ihr Ende kommt. Aber bis dahin kann es relativ lange dauern.
SCHMITZ: Man kann sie nur kontrollieren. Wenn jemand eine Funktion hat, die ihm Macht gibt, muss man möglichst klar beschreiben, wofür diese Funktion eingesetzt werden soll. So würden Sie von einem Bundeskanzler erwarten, dass das Ziel seiner Machtausübung sein muss, für die Gesellschaft möglichst viel Gutes zu tun. Aber man muss wissen, dass es die Tendenz bei Mächtigen gibt, sich immer darüber hinwegzusetzen. Und es ist doch ein auffälliges Phänomen, dass viele Aufsichtsräte nicht in der Lage sind, zu kontrollieren, was Vorstände von Unternehmen machen. Ein Skandal jagt den anderen und alle, die oben sitzen, sagen, sie haben von nichts gewusst – das ist schwer zu glauben.
SCHMITZ: Für viele ist das eine große Krise. Macht ist Teil ihrer Identität geworden, deshalb empfinden sie es als Identitätsverlust, als Beschädigung der eigenen Persönlichkeit. Für Politiker und Manager, die abgesägt werden, ist das persönlich schmerzhaft, weil sie sich an die Bestätigung gewöhnt haben, tolle Personen zu sein, weil sie Macht ausüben. Dabei haben sie nicht begriffen, dass diese mit der Rolle oder mit der Organisation zu tun hat, die sie vertreten.
Der Kaiser auf der Anklagebank“. Die FAZ schreit auf. Oh Gott! Beckenbauer. Auch das noch. Deutschland erstarrt im Schock. Ein Skandal nach dem nächsten fegt durch die Republik: VW wurde mit der Manipulation von über elf Millionen Diesel-Fahrzeugen des schweren Betrugs überführt. Der Deutsche Fußball Bund steht plötzlich im Verdacht, sich die Fußball-WM 2006 gekauft zu haben. Der heilige Franz gerät unter Beschuss der FIFA Ethik-Kommission. Bei der Vergabe der Fußball-WM an Russland 2018 und Katar 2022, wähnen die Ermittler, seien ihm Schmiergelder zu ossen. Korruption made in Germany. Eine unendliche Geschichte.
Das Drama in all seinen Facetten begreift, wer den klaren Blick wagt und versteht, dass es hier nicht um eine Momentaufnahme geht. Die aktuellen Ereignisse brechen mit ungeahnter Vehemenz über die Deutschen herein. Aber sie zeigen – wieder einmal, doch diesmal vielleicht deutlicher als bisher: Deutschland ist nicht das Land der Saubermänner. Die Deutschen sind nicht die Werte-Weltmeister. Korruption in Nigeria hat andere Ausmaße. Aber schon, dass unbedarften Menschen ein solcher Vergleich in den Sinn kommt, zeigt wie ramponiert der Nationalstolz ist.
„Es steht nicht gut um das Miteinander in der Gesellschaft“, ächzt die Süddeutsche Zeitung unter Schmerzen. „Zwischen Unternehmen und Menschen liegt ein tiefer Graben. Die Wirtschaft, so sieht es aus, das ist die Welt des Profits, der Lüge und des Betrugs.“ Härter könnte das Urteil nicht ausfallen.
Aus guten Gründen! Die aktuellen Skandale werfen ein gleißendes Licht auf Fehler im System, die keiner wahrhaben will: Der Macht in großen (und einstmals renommierten) deutschen Firmen fehlt es an Kontrolle. Wo der Macht die Kontrolle fehlt, macht Macht selbstsüchtig, hochmütig und korrupt. Wer sich an Macht berauscht, setzt sich leicht über Moral und Gesetz hinweg. Mächtige, die üble Machenschaften begehen, tarnen und täuschen und lügen beinhart. Ohne mit der Wimper zu zucken.
Für VW ist der Abgas-Betrug nicht der erste große Skandal, der zeigt, dass es der Macht im Konzern an Anstand und Kontrolle fehlt. Und VW ist nicht das einzige Unternehmen, indem systematischer Betrug zu einem wesentlichen Bestandteil des Geschäftsmodells geworden ist. Wie hemmungslos die Wolfsburger auf Korruption als Erfolgsfaktor setzen, offenbarten sie schon vor über 20 Jahren. Damals warben sie Ignacio Lopez als Einkaufschef von ihrem Konkurrenten General Motors ab. Der Spanier griff vor seinem Transfer interne GM-Daten ab, um sie seinem neuen Geldgeber zur Verfügung zu stellen. So verscha te er VW (illegal) Vorteile in seinem machtgeilen Konkurrenzkampf. Vor zehn Jahren wurde ruchbar, dass der Konzernvorstand Betriebsräten Lustreisen spendierte, um sie gefügig zu machen. Motto: Teile aus und herrsche!
Wenn ein Verdacht au ommt, dass es bei VW-Geschäfte nicht mit rechten Dingen zu geht, streitet Konzern solange alles ab, bis seine Lügengebäude unter übergroßer Beweislast tosend zusammenkrachen. Die Chronologie der Ereignisse im Abgas-Skandal zeigt: VWler wussten schon Jahre zuvor, dass US-Behörden ihnen auf die Schliche gekommen waren. Manager in den USA wurden einvernommen. Aber sie stritten alle Vorwürfe ab, bis sie auswegslos überführt worden waren. Sie o enbarten sich in all ihrer Überheblichkeit und Unverschämtheit. Sie demonstrierten ihre Vorstellung, die Wahrnehmung der Realität manipulieren zu können, dass sie mit allem davon kommen – egal, was passiert.
Nun greift in Deutschland die Furcht um sich, der VW-Skandal, könnte den guten Ruf der deutschen Automobil-Branche, ja, der deutschen Export-Wirtschaft insgesamt ruinieren. Mit katastrophalen ökonomischen Folgen. Wenn made in Germany“ nämlich nicht mehr als Gütesigel wahrgenommen wird, als Garantie, dass Waren, auf denen es prangt, besonders gute und zuverlässige Produkt sind, zu einem fairen Preis.
Es muss für Kunden wie Hohn klingen, wenn VW nun erklärt, man mache sich in den nächsten Monaten (!) an die Beseitigung der „technischen Mängel“ – und dafür würde der Konzern seinen Kunden nichts in Rechnung stellen. Ja, wieso auch?
Vorgehen und Erklärung zeigen, dass die nun agierenden Vorstände und Aufsichtsräte noch immer kein richtiges Unrechtsbewusstsein haben. VW komplementierte zwar seinen Vorstandschef Martin Winterkorn aus allen Ämtern. Aber in den Positionen der Macht thronen nach wie vor Manager, die zur alten Garde gehören. VW weigert sich, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Dass die Altvorderen einen wirklichen Neuanfang starten, ist schwer zu glauben.
Die Deutschland AG“ – so nannten die Medien das Netzwerk der großen gewinnträchtigen Unternehmen voller Hochachtung. Doch noch Politiker. Lieber genießen sie ihre Macht und lassen sich davon ebenso leicht verführen, wie die, die sie kontrollieren oder denen sie dienen sollen. Wer sich selbst verpflichtet, anständig zu bleiben, macht einen guten Anfang – und nimmt sich viel vor. Harvards MBAs leisten seit einiger Zeit einen Schwur „dem allgemeinen Wohl zu dienen“. Das Bekenntnis wollen sie zum Standard ihrer Zunft machen. Wahre Leader, so ihr Postulat, bedienen die Interessen aller, der ganzen Gesellschaft und nicht nur der „Shareholder“.
mittlerweile leuchten diverse KorruptionsSkandale die Schattenseiten des Systems aus.
Siemens unterhielt viele Jahre schwarze Kassen. Über eine Milliarde Euro soll der Konzern als Schmiergeld eingesetzt haben. Weltweit. So gab Siemens zum Beispiel 70 Millionen Euro an Bestechungsgeldern aus, um sich in einem Deal mit der griechischen Telekommunikationsgesellschaft OTE den Auftrag für die Digitalisierung des dortigen Telefon-Netzes zu sichern.
Siemens kurbelte so die Korruption in Griechenland an, die mit dazu beitrug, dass die Wirtschaft des Landes immer mehr Richtung Abgrund steuerte – und nun von den Steuerzahlern der übrigen EU-Länder gerettet werden muss. Andere deutsche Firmen trieben es genau so. Zum Beispiel die DB-International eine Tochter-Firma der Deutschen Bundesbahn. Sie zog sich mit Schmiergeldern einen Auftrag für den Bau einer U-Bahn an Land.
Den Stern der Korruption ließ auch der Daimler-Konzern aufsteigen. Daimler-Manager bestachen über Jahre Regierungsbeamte, um an lukrative Deals zu gelangen. In den USA wurde Daimler dafür zu einer Strafe von 185 Millionen Dollar verurteilt. Gegen die Deutsche Bank laufen in Amerika derzeit rund 6.000 Strafverfahren wegen schräger Geschäfte. Wegen der Manipulation des Zinssatzes Libor verdonnerte die EU-Kommission die einstige Vorzeige-Bank zu einer Strafe von 725 Millionen Euro. Zusätzliche Milliarden legen die Konzern-Lenker in Frankfurt schon für weitere Finanz-Verfahren zurück.
In der Krise 2008 entpuppte sich das Unternehmen als „verantwortungslose Zockerbank“ (Süddeutsche Zeitung). Dass sich auch der ADAC als korrupt erwies und nun schwerer Verdacht auf den DFB fällt, wundert in der Gesamtschau nicht mehr sehr. Der ADAC manipulierte Umfragen und betrieb so per des Marken-Ranking. Der DFB unterhielt schwarze Kassen, als er die WM 2006 ins Land holte. Der damalige DFB-Boss, Theo Zwanziger, gab das erst vor wenigen Tagen zu. Und er erklärte, dass der heutige Verbandsvorsitzende, Wolfgang Niesbach, von der der Existenz der schwarzen Kassen schon seit 10 Jahren gewusst haben müsse.
Zu heftigen Beben führen die aktuellen Ereignisse, weil nicht mehr so getan werden kann, als handle es sich um eklatante Einzelfälle. Das machen sogar schlichte Umfragen deutlich. 26 Prozent der deutschen Manager halten Korruption für weitverbreitet. Das geht aus einer Studie von Ernst & Young hervor. Durchgeführt übrigens, bevor der VW-Skandal explodierte. Genau so hoch ist der Anteil der Unternehmen, in denen es in den vergangenen zwei Jahren einen bedeutsamen Betrugsfall gab. Nur 23 Prozent der Manager halten die ethischen Standards in ihrem Unternehmen für gut. 11 Prozent erklären freimütig, sie würden auch Schmiergeld zahlen, um Aufträge zu akquirieren.
Macht verändert Menschen. Nicht alle in gleichem Maße. Aber auch die, die mit hehren Absichten nach ihr greifen, bleiben nicht frei von den Verführungen der Macht. Eine ganze Reihe von psychologischen Studien weist nach, dass Menschen die Macht erlangen, oft dazu neigen, ihre Position zum eigenen Vorteil auszunutzen. Sie sind eher bereit, sich über Regeln hinwegzusetzen, andere zu manipulieren und für ihre Zwecke einzusetzen und sich auf Kosten anderer zu bereichern.
Forscher der Columbia University demonstrierten, dass Mächtige, die stehlen, ihre Tat schamlos leugnen können. Wenn sie lügen, emp nden dabei keinen inneren Zwiespalt, der sie in Stress versetzen würde. Sie treten souverän auf. In ihrem Blut – auch das zeigten die Forscher–steigt dann nicht das Stress-Hormon Cortisolan,sowiebeianderenMenschen,wenn sie lügen. Macht macht cool. Und skrupellos!
Wie kaltblütig Machthaber in Unternehmen betrügen, zeigt uns eine weitere Statistik: Wegen verbotener Absprachen verhängte das deutsche Bundeskartellamt allein im vergangenen Jahr Geldbußen von mehr als einer Milliarde Euro. Das ist eine neue Rekordsumme.
Dabei ist sie, wegen lascher Kartellgesetze, die Vergehen wie Ordnungswidrigkeiten bestrafen, im Verhältnis zur Schwere der Betrügereien sehr niedrig. Der Vorsitzende der Monopolkommission, Daniel Zimmer, kommentiert trocken: „Es ist für Unternehmen ein Rechenspiel. Bei den hohen Gewinnen durch Kartellabsprachen, kann es sich lohnen, das Risiko hinzunehmen – zumal die Aufdeckungswahrscheinlichkeit immer noch sehr gering ist“.
Ihr gieriges Profit-Plus machen diese Firmen auf Kosten von privaten Verbrauchern und staatlichen Institutionen. Mit Preisabsprachen aufge ogen sind im vergangenen Jahr diverse Wurstfabrikanten, Bierbrauer und die Zuckerindustrie. Vor dem Landgericht Bochum müssen sich gegenwärtig Manager des Stahl-Unternehmens Thyssen-Krupp und andere Konzerne verantworten, weil sie für Schienen-Verkäufe ein Kartell gebildet haben, mit dem sie die Deutsche Bundesbahn, also den deutschen Steuerzahler, abzockten.
Glaubwürdigkeit und Ansehen von Managern knicken seit Jahren ein. International. In Amerika begann es mit großen Korruptionsskandalen zu Beginn dieses Jahrtausends. Zum Beispiel: Enron, WorldCom, Arthur Andersen. Mit dem weltweiten Crash 2008 o enbarte sich, wie verbreitet (und wie schädlich) AbzockerMentalität im Management ist. Manager halten sich nicht selbstverständlich an geltende Gesetze und nutzen sowieso rechtliche Grauzonen auf Kosten anderer aus.
Seither rufen Management-Theoretiker stärker nach Ethik. In ihren Konzepten greifen sie zurück auf Klassiker – auf Aristoteles Vorstellungen von „Kardinaltugenden“ oder auf Kants „kategorischen Imperativ“. Führungskräfte sollen sich durch Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit auszeichnen. Manager, so ein weiterer Lehr-Ansatz, sollten „dienen“ und Ziele zum Wohl der Allgemeinheit verfolgen. Angeblich, so die Theoretiker, seien Manager, die sich nach diesen Werten ausrichteten, auch erfolgreicher. Die Theorien mögen gut klingen. Aber sie haben allesamt gravierende Mängel. Dass die neuen Ethiker für ihre Konzepte die alten bemühen, zeigt schon: Menschen an sich sind nicht (nur) gut. Alle ethischen Appelle haben sie nicht verändert.
Außerdem: Wer sich anständig verhält oder Führung als Dienst versteht, muss noch lange keine Führungsfähigkeit haben. Anstand ist schön, aber begründet keinen Erfolg. Keine Studie kann nachweisen, das dem so wäre. Wer Werte predigt, ist vielleicht ein guter Mensch, irrt jedoch als wirkungsloser Wanderprediger umher, wenn er erstens nicht begreift, wie zu führen ist, um erfolgreich zu sein. Und zweitens nicht versteht, wie Macht Menschen verändert Sowie drittens welche Kontrolle Macht erfordert, wenn wir ihren Missbrauch verhindern wollen.
Mit der Anatomie, den Mechanismen und Verführungen der Macht setzen sich aber die wenigsten Auseinander – weder Aufsichtsräte noch Politiker. Lieber genießen sie ihre Macht und lassen sich davon ebenso leicht verführen, wie die, die sie kontrollieren oder denen sie dienen sollen.
Wer sich selbst verp ichtet, anständig zu bleiben, macht einen guten Anfang – und nimmt sich viel vor. Harvards MBAs leisten seit einiger Zeit einen Schwur „dem allgemeinen Wohl zu dienen“. Das Bekenntnis wollen sie zum Standard ihrer Zunft machen. Wahre Leader, so ihr Postulat, bedienen die Interessen aller, der ganzen Gesellschaft und nicht nur der „Shareholder“.
Die verschiedenen Interessen sind jedoch oft nicht miteinander zu versöhnen. Das ist das Dilemma. „Wir sehen vor schweren Entscheidungen“, wähnen die Harvard-Schwörer. Und wissen keine Lösung. Und dann tut sich ihnen auch noch die größte Tücke auf. Die sehen sie so: „Das Verfolgen persönlicher Interessen ist der entscheidende Antrieb kapitalistischer Wirtschaft“.
Damit ist das Paradoxon komplett: Jeder soll vor allem auf seinen Vorteil achten und damit das Wohl aller fordern? Das Postulat kennen wir seit Adam Smith und sehen, dass es nicht funktioniert. Nicht ohne Regularien, einschränkende Gesetze und Kontrollen. Das ist das Paradox von Leadership schlechthin.
Wenn Macht Korruption fördert, hilft es nicht nach besseren Menschen als Machtverwalter zu suchen und so zu tun, als wären die aufscheinenden Vergehen nur einigen wenigen charakterschwachen Einzeltätern zuzuschreiben. Appelle an Werte und Gesinnung sind gut und schön.AbersieverleitenzudemIrrglauben,essei damitgetan,wennsienuroftwiederholtwürden. Die Geschichte beweist uns, dass das nicht stimmt. Ironischerweise finden wir Wahrheit bei Lenin: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Wirksame Kontrolle. Und Transparenz.
Es waren immer schon seine beiden großen Lieben: Psychologie und Journalismus. Nach dem Studium der Seelenwissenschaften gepaart mit Germanistik zog ihn erstmal das Reporter-Leben in den Bann: „Ich fand das so spannend“, erzählt Dr. Michael Schmitz, 61, „meiner Neugier nachgehen zu können und so viele interessante Menschen und ihre Beweggründe kennenzulernen!“ Der Duisburger war Journalist für das ZDF, DDR-Korrespondent, als die Mauer fiel, Kriegsberichterstatter in den 1990er-Jahren, Chefreporter und später in den USA tätig. Nach 2000 verlagerte sich das Gewicht wieder in Richtung Psychologie: Als Management-Trainer und Paar-Berater mit eigener Praxis (coaching@schmitz.at) sowie als Professor an der Lauder Business School in Wien konnte er seine Leidenschaft für „tiefere Zusammenhänge“ wunderbar mit dem Job verbinden. Ganz auf derselben Linie liegt er da mit seiner Frau, der Psychiaterin und Paar-Beraterin Margot Schmitz, mit der er seit 20 Jahren verheiratet ist. Tochter Rosa ist 19, Ex-Schwimmstar MarkusRogan,33,ist Michael Schmitz’ Stiefsohn. Man berät auf Wunsch Paare auch gemeinsam, die Bücher der beiden gehören zu den Meilensteinen der „Beziehungs-Literatur“.
Das aktuelle Werk „Liebe, Lust und Ehebett“ nimmt Partnerschaften in den diversen Stadien ins Visier und brachte unter anderem die deutsche „Welt“ zum Jubeln: „Darin finden sich so viele schlaue Sätze, dass man sie auf T-Shirts drucken und verteilen müsste.“ Einer davon geht jedenfalls in die Richtung: „In Phasen der Verliebtheit sehen wir den anderen ohne Fehler und glauben, alle unsere Bedürfnisse sind gleich“, kennt Schmitz die Fallen. „Irgendwann stellt sich die Realität, die lautet: Zwei verschiedene Menschen sind zwei verschiedene Menschen. Mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Denkweisen. Es passt nie zu 100 Prozent.“
FRAUEN ALS MOTOR. Weise, wer möglichst schnell akzeptieren kann, dass der andere nicht unbedingt das Gleiche gut finden muss wie er selbst. Und jede InvestitionineinePartnerschaftmacht sich bezahlt. „Denn“, so Schmitz, „Beziehungen spielen in jeden Bereich des Lebens mit hinein. Auch beim Management-Training sind sie Thema!“ Wie gut, dass man sich da auf die Frauen verlassen kann. „Sie machen sich mehr Gedanken und sind viel engagierter, etwas zu verändern!“ Viele MännerwerdenzuCoachingserstmal mitgeschleppt. Dann aber geht auch ihnen so manches Beziehungs-Licht auf. „Wenn ich genau beschreiben soll, wie ich mich selber sehe, dann als Glückshelfer“, freut sich Schmitz. Dass das Glück übrigens auch zwischen zwei Therapeuten nicht gepachtet ist, gibt er zu. „Wir können’s auch nicht besser. An zwei Dinge halten wir uns aber immer: Probleme ansprechen und sich darüber im Klaren sein: Nie macht einer alles falsch und einer alles richtig.“
Wir hatten bisher zwei Dates, die für mich super waren. Doch er meldet sich nicht mehr. Will er dann einfach nichts mehr von mir wissen oder kann es sein, dass er nur schüchtern oder unsicher ist und auf meinen Anruf wartet?
DR. SCHMITZ: Wie sind Ihre bisherigen Verabredungen zustande gekommen? Auf wessen Initiative? Haben Sie beim letzten Mal darüber gesprochen, ob Sie sich wieder sehen möchten? Oder sind Sie unverbindlich auseinandergegangen? Vielleicht ist sein Interesse nicht so groß. Aber das wissen wir beide nicht. Und darüber zu spekulieren, macht nicht viel Sinn. Womöglich sind Sie beide verunsichert und warten beide darauf, dass der andere den nächsten Schritt tut. Damit würden Sie es sich gegenseitig schwer machen. Hat er bei den Dates schüchtern auf Sie gewirkt? Dann muss mehr von Ihnen kommen. Womöglich will er testen, wie sehr Sie auf ihn anspringen, ob Sie wirklich an ihm interessiert sind. Auch wenn es für Siesuperwar,mussbeiihmnichtangekommen sein, was Sie empfunden haben. Ich denke, es lohnt sich, ein Signal zu schicken. Fragen Sie mit einer schlichten SMS, ob er Lust hat, wieder etwas mit Ihnen zu unternehmen. Warten Sie ab, was dann kommt. Überlegen Sie, ob es für Sie verlockend klingt, was er vorschlägt. Und dann, was sie ihm vorschlagen wollen.
Ich bin zurzeit mit meinem Gewicht total unzufrieden. Jetzt hab ich aber einen Mann kennengelernt, in den ich mich verlieben könnte. Nur: Beim Sex würde ich mich wegen meiner Speckfalten voll verkrampfen, das weiß ich. Ich überlege schon, ihn deshalb aufzugeben …
DR. SCHMITZ: Dann würden Sie sich selbst aufgeben. Das sollten Sie auf keinen Fall. Damit tun Sie sich selber weh. Und dem Mann auch, wenn er Sie will und Sie sich mir nichts, dir nichts zurückziehen. Wenn Sie sich selbst nicht so gut gefallen, nehmen Sie die neue Bekanntschaft und das, was sie Ihnen damit so reizvoll bietet, als Anreiz, sich einen Ruck zu geben. Tun Sie etwas für sich, damit Sie sich in Ihrer Haut wohler fühlen. Regelmäßig Sport zu treiben hilft, Kalorien zu verbrennen und abzunehmen. Obacht beim Essen: Weniger Zucker & weniger Fett wären zusätzlich gut. Wissen Sie eh! Es mag am Anfang etwas schwer sein, sich zu überwinden. Sie werden selbstsicherer und attraktiver. Auf Sie wartet doppelter Gewinn.
Wieso erzählt mein neuer Schwarm von seinen Ex-Freundinnen ausgerechnet beim ersten Date?
DR. SCHMITZ: So reden Männer öfter, wenn sie unter sich sind. Sie geben voreinander gerne ein bisschen an, um so ihr Selbstbewusstsein aufzublasen. Allerdings: Wenn wir Männer dick auftragen, tun wir das meist, weil wir tief in unserem Inneren unsicher sind. Dann neigen wir zu Übertreibungen. Vielleicht ist Ihr neuer Schwarm nicht so souverän, wie er meint, sein zu müssen. So geht es vielen Männern. Vielleicht fällt es ihm schwer, über seine Gefühle zu reden. Auch das können Männer oft nicht so gut. Seien Sie ein bisschen großzügig. Es war erst Ihr erstes Date. Da Sie ihn als Ihren „neuen Schwarm“ bezeichnen, muss er einiges haben, was Ihnen gefällt und was Sie anzieht. Achten Sie beim nächsten Mal darauf, wie viel Sie davon entdecken. Versuchen Sie, sachte (!) rauszukriegen, was er von Ihnen möchte. Nicht drängeln. Nicht festnageln. Sieht er Sie eher als Kumpel? Oder erkennen Sie, dass er für Sie als Frau schwärmt?
Ich glaube, mein Freund will mir bald einen Heiratsantrag machen. Auch wenn unsere Beziehung wunderbar ist: Ich will nicht heiraten! Wie bringe ich ihm das bei?
DR. SCHMITZ: Wie denken Sie grundsätzlich über Heirat? Wollen Sie gar nicht heiraten? Oder jetzt noch nicht? Halten Sie Trauschein und Ehe für überflüssig? Oder müssen Sie erst noch genauer rausfinden, ob Ihr Freund für Sie der Mann Ihres Lebens werden könnte? Das sind wichtige Fragen. Darauf müssen Sie für sich passende Antworten finden. Davon, wie sie ausfallen, hängt ab, was Sie Ihrem Freund sagen wollen – und sagen sollten, damit erweiß,woranermitIhnen ist.
Sehen Sie das Positive! Sie freuen sich sicher, dass es Ihrem Freund ernst ist mit der Beziehung zu Ihnen. Er will Sie und keine andere. Können Sie das umgekehrt genauso sagen? Oder hegen Sie insgeheim Zweifel? Überlegen Sie, was Sie sich weiter mit ihm wünschen und ihm gerne anbieten würden. Erzählen Sie es ihm. Finden Sie raus, wie das mit seinen Wünschen zusammenpasst und wie es für Sie beide weitergehen kann.
Ich habe mich verliebt, wie kriege ich den Mann dazu, dass er sich auch in mich verliebt? Ich habe ihn bei einem Vortrag kennengelernt und angesprochen. Wir waren schon einen Kaffee trinken. Es war sehr nett.
Mein Freund weiß nicht mehr, ob er mich noch liebt. Nach eineinhalb Jahren. Aber er will mit mir zusammenbleiben. Was soll ich davon halten?
Mein Mann hat mich betrogen – mit einem anderen Mann. Ich hab ihn dabei ertappt, aber er weiß das noch nicht. Was soll ich jetzt tun?
Mein Freund kämpft plötzlich um seine Ex. Muss ich mir das etwa geben?
Mein Mann sagt, er will keinen Sex mehr mit mir, weil ich zu dick bin. Ich bin auch wirklich sehr mollig.
Ich bekomme seit Jahren nur 700 Euro Haushaltsgeld – für die Familie mit zwei Kindern. Muss ich mich damit abfinden? Mein Mann verdient nicht schlecht.
Wir sind 42 Jahren verheiratet. Aber mein Mann kümmert sich schon lange nicht mehr um mich. Kann ich das ändern?
Unter unzähligen Liebesratgebern ragt dieser heraus. Das Buch ist wie der Verlauf einer Beziehung aufgebaut, vom anfänglichen Verliebtsein bis zu den möglichen späten Schwierigkeiten langjähriger Partnerschaften. Das erfahrene Autorenpaar berücksichtigt weibliche und männliche Perspektiven gleichermaßen und erklärt, wie man mit Krisen und Affären umgehen kann. Dabei verzichten beide auf moralische Wertungen hehre Ideale und unerfüllbare Postulate. So funktioniert’s.
Unlängst schrieb ich einen Artikel zum Thema „Lügen in der Beziehung“ – die These: Der Partner muss nicht alles wissen, wir dürfen, nein, wir sollen einander Geheimnisse lassen und um Affären zu verschleiern darf man auch lügen. Ja, das provozierte viele Leser, die meist anderer Meinung waren – wenn es nach den Kommentaren ginge, wären alle immer ehrlich, Lug und Betrug nur eine krasse Ausnahmeerscheinung unter wenigen, seelenlosen Wesen. Es kommt nicht gut an, Wahrheiten über die Lüge auszusprechen. Umso wichtiger sind die, die das öffentlich tun.
Etwa das Ehepaar Margot und Michael deren neues Buch „Liebe, Lust und Ehebett“ Standardlektüre für alle Frischverliebten, Moralapostel und langjährige Paare sein sollte. Darin finden sich nämlich für alle Beziehungsphasen so viele schlaue und auch unpopuläre Sätze, dass man sie eigentlich auf T-Shirts drucken und verteilen müsste. Etwa wenn es um unrealistische Erwartungen an eine große Seelenverwandtschaftsliebe geht: „Wir führen uns selbst hinters Licht: Liebe soll wie Verliebtheit sein. Aber das geht nicht.“ Oder wenn es um das richtige Streiten geht: „Wir müssen die Wünsche hinter den Vorwürfen lesen lernen.“ Sie stellen Fragen, deren Antworten wichtig sind: „Denkt einer von uns, da müsste doch jemand sein, der besser zu mir passt?“ Und scheuen sich eben auch nicht vor dem Affären-Thema: „Seitensprünge sind nicht unbedingt ein Beleg dafür, dass etwas in der Beziehung dramatisch schiefgegangen wäre.“ „Bindung sollte kein Gefängnis schaffen, sondern Loyalität und Freiheit bieten.“ „Unbedingte Ehrlichkeit ist rücksichtslos.“
Sie provozieren nicht, sondern erklären ihren Standpunkt auch aus wissenschaftlicher Sicht. Und können damit ein paar Dinge geraderücken, das Bild von einer vermeintlich idealen Beziehung relativieren: Liebe ist nicht wie im Film. Es wird anders, wenn die Verliebtheit endet. Sie wird enden. Das ist normal. Man kann aber damit arbeiten. Eine Affäre muss nicht das dramatische Ende von allem sein. Und so weiter. Ich glaube, ich mag dieses Buch so, weil es einfach mal cool bleibt und das so emotionalisierte Liebes-Beziehungs-Thema mit einer realistischen Weltsicht angeht. Anders als Leser, die ja noch niemals gelogen haben.
Nicola Erdmann
Margot: Natürlich kommt es vor, dass eine Liebe sich erschöpft hat. Dann sollten beide sich mit Anstand trennen und die gute Zeit in schöner Erinnerung behalten. Das hilft. Auch um irgendwann einen Neuanfang in der Liebe machen zu können, wenn man das möchte. Allerdings erlebt jede Partnerschaft Krisen, und diese bedeuten natürlich nicht, dass die Liebe am Ende ist, sondern dass sie strapaziert wird, was per se nichts Schlimmes ist. Probleme ergeben sich oft aus vielen Gründen: Man verliert im stressigen Alltag die Aufmerksamkeit füreinander. Auch wenn einer krank wird oder den Job verliert, leidet die Beziehung. Oder einer von beiden erhebt die Karriere über alles.
Michael: Tatsächlich ist es immer noch so, dass viel mehr Männer im Beruf Karriere machen, dort Status und Einkommen generieren und zum Financier der Frau und der Familie werden. Frauen stecken vielfach zurück. Es zwingt sie niemand dazu, aber dennoch gilt: Sie sehen ihre Karriere in der Mutterrolle und im Management des Familienalltags. So verwirklichen sie jedoch nie ihre sonstigen Potenziale. In der Berufskarriere werden sie von den Männern abgehängt und begegnen ihnen nicht mehr auf Augenhöhe. Das führt leicht zu Machtkämpfen innerhalb der Partnerschaft und somit zu Unfrieden.
Margot: Der Alltag ist hektischer geworden. Wer im Beruf und im sonstigen Leben alles perfekt machen will, belastet sich zusätzlich, sodass der Stress schnell zu viel wird. Darunter leiden Partnerschaften. Viele Menschen lassen sich heute aber auch weniger auf eine Partnerschaft ein. Oder nur zeitweilig und mit halbem Herzen. Wer immer wieder daran denkt, ob es nicht einen Besseren oder eine Bessere gibt, bleibt unverbindlich und hält den anderen auf Distanz. So entsteht weder wahre Liebe noch wahre Leidenschaft, und das Vermögen, harte Zeiten zusammen durchzustehen, ist eingeschränkt.
Michael: Die Selbstbestimmtheit auf der einen, das harmonische Miteinander auf der anderen Seite fordern heute viele Beziehungen heraus. Partnerschaft braucht gemeinsame Interessen und Bedürfnisse, Aktivitäten, an denen sich beide erfreuen. Wichtig ist auch, dass die Partner eine gemeinsame Vorstellung davon haben, wie sie ihre Zukunft gestalten wollen. Aber zwei Menschen haben nicht immer die gleichen Interessen und Bedürfnisse. Das heisst, dass man einander zugestehen soll, eigene Interessen und Ambitionen zu verfolgen. Die Herausforderung besteht darin, das Anderssein zu schätzen, neugierig zu bleiben und sich gegenseitig immer wieder neue Anregungen zu geben.
Margot: In Krisenzeiten sollte man sich besinnen: Was hat uns zusammengebracht? Was können und was wollen wir miteinander erreichen? Wenn es gelingt, diese Fragen offen und ehrlich zu beantworten, kann bereits viel Spannung abgebaut werden.
Michael: Wahre Liebe zeigt sich auch darin, dass sich Partner gegenseitig unterstützen und Probleme miteinander lösen. Und Partner nähren wahre Liebe, wenn sie gemeinsame Leidenschaften pflegen und sie sich so immer wieder attraktiv und spannend füreinander machen. Jeder mag dabei auch eigene Interessen entdecken. Aber Partner sollten einander immer wieder in ihre Welt einladen, damit man zusammen auf Entdeckungsreise gehen kann.
Michael: Seitensprünge geschehen aus vielen Gründen, die nicht unbedingt mit der fehlenden Liebe zum Partner zu tun haben müssen. Neue Menschen bieten neue Reize. Es gibt Umstände, unter denen man solchen Reizen eher erliegt. Affären entstehen, weil einer es so wunderbar findet, attraktiv, spannend, toll gefunden zu werden. Das gibt dem Selbstbewusstsein neue Nahrung. Affären sollen – das erleben wir in unserer Praxis immer wieder – bisweilen auch helfen, über Enttäuschungen hinwegzukommen, die mit dem eigenen Partner nichts zu tun haben. Zum Beispiel Rückschläge im Beruf oder persönliche Sinnkrisen.
Margot: Die meisten Affären sind Episoden. Hat die Partnerschaft einen guten Zusammenhalt und eine Perspektive, sollte eine fremdgehende Person die andere nicht mit Bekenntnissen konfrontieren. Man kann sagen, dass in diesem Bereich zu viel gebeichtet wird. Vor allem, weil man das eigene Gewissen entlasten will.
Michael: Ebenfalls geben viele Menschen, die eine Affäre eingehen, im Stillen dem Partner dafür die Schuld. Irgendetwas soll an ihm unzureichend sein. So ist man selbst die Verantwortung für sein eigenes Verhalten los und spricht sich frei von jeder Schuld. Es ist immer besser, darüber nachzudenken, was man selbst getan hat und womöglich noch tun wird. Und dann sollte man überlegen: «Was will und kann ich anders machen?»
Margot: Besser als schonungslose Ehrlichkeit sind Fragen an sich selbst: Was hat einen in die Affäre getrieben? Was fehlt womöglich in der Partnerschaft? Was kann ich, was können wir tun, um die Beziehung spannender und leidenschaftlicher zu gestalten? Was ich sagen will: schwindeln bringt in der Partnerschaft oft mehr als schonungslose Offenheit, aber ehrlich sollte man mit sich selbst sein. Nicht in Ordnung ist das Verheimlichen, wenn der andere etwas ahnt und Fragen stellt: weil es ein Mangel an Respekt ist, den anderen in der Unklarheit zu lassen, und weil es der andere nicht verdient hat, mit seinen Zweifeln zu leben.
Michael: Beim Schummeln geht es übrigens nicht nur um Affären. Auch mit der Bewunderung darf man es ruhig übertreiben. Das tut jedem gut, auch wenn man merkt, dass es eine Übertreibung ist. Männer brauchen das vielleicht mehr als Frauen. Aber beide hören gerne, dass sie attraktiv, toll, intelligent, schön, charmant, unterhaltsam sind. So einfach funktioniert die Liebe eben manchmal auch.
Margot: Wenn man nicht mehr weiss, ob man den anderen noch liebt, dann muss schon längere Zeit etwas schiefgelaufen sein. Trotzdem ist es weder hilfreich noch sinnvoll, einem Partner einen solchen Satz an den Kopf zu knallen. Den anderen zu kritisieren, ist nicht in Ordnung, ihn abzuwerten und verächtlich zu machen, auch nicht. Wenn es Spannungen oder Enttäuschungen gibt, sollte man konkret ansprechen, was aus eigener Sicht nicht gut läuft, was verlorengegangen ist, was getan werden könnte, um es zurückzuerobern. Wenn eine Liebe lange bestanden hat, dann ist das meist aus guten Gründen der Fall – auch über diese sollte man nachdenken.
Michael: Wie erkennt man, dass die Liebe trotz allen Bemühungen vorbei ist? Wenn man gleichgültig wird und sich langweilig findet. Solange Partner noch streiten, ist es eher so, dass sie noch Wünsche aneinander haben.