Sie sind inzwischen die wahren Stars ihrer Teams. Wie eine neue Generation begnadeter Fußballtrainer Mannschaften mit modernen Coaching-Methoden zum Erfolg führt. Und was Manager und Führungskräfte davon lernen können.
Der Hype ist ausgebrochen. Um Guardiola, Klopp, van Gal, Mourinho und Ancelotti, sogar um ein High-Potential wie Thomas Tuchel, der sich erst noch beweisen muss. Selbst der schweizerisch-temperierte Marcel Koller ist auf dem Weg zum Kult-Status.
Fußball-Trainer sind zu Super-Stars geworden. Die Charismatiker unter ihnen ragen sogar über ihre Mannschaften hinaus. Erobert haben sie in ihrer schillernden und umsatzträchtigen Branche unumstritten den Posten des CEOs, des „Chief Executives Officers.
Die großen Könner zeigen uns, was Leadership bedeutet und wie sehr Erfolg abhängt von der Fähigkeit , Teams smart zu coachen. Top-Coaches weisen all die Kompetenzen vor, die CEOs in allen Unternehmen haben müssten. Dass sie fachlich top sind, ist selbstverständlich. Darüberhinaus müssen sie scharfe Analytiker sein, Taktiker und Strategen, versierte Kommunikatoren, die im Team Verständnis und Zusammenhalt schaffen, die unaufhörlich einzelne Talente fördern, notorische Individualisten und große Egos integrieren, Rollen und Aufgaben klar definieren, verstehen, mit welcher Team-Konstellation sie die größte Funktionalität und damit die besten Ergebnisse erzielen. Sie müssen schnell und überlegt entscheiden, geistig flexibel bleiben, Druck aushalten, Konflikte bewältigen und Macht ausüben – entschieden, effektiv, mit Autorität und großer Zustimmung.
Die Kernkompetenzen. Das ist viel verlangt. Viele CEOs können die Kombination solcher Kern-Kompetenzen nicht vorweisen. Doch bei ihnen fällt das nicht so auf. Sie tun so, als könnten sie alles und vermeiden es so gut es geht, sich irgendeine Blöße zu geben. In Österreich besonders.
Große Trainer wissen, dass sie großen Anteil an Erfolgen haben, aber sie wissen auch, dass Erfolge ihnen nicht allein gehören. Wenn der FC Bayern verliert, schreibt Pep Guardiola sich dafür die Schuld zu. Wenn die Mannschaft siegt, gilt ihr das Lob des Trainers. Aber immer analysiert Guardiola, was noch zu verbessern wäre – bei Siegen genau so wie bei Niederlage.
Natürlich sind Star-Trainer große Egos. Und sie sind eitel. Aber sie wissen, dass sie sich selbst im Griff halten, sich selbst so managen müssen, dass erstklassige und eigensinnige Spieler ihnen folgen. Trainer müssen Kooperation entwickeln, die sich für alle Beteiligten lohnt, die jedem eine angemessene Anerkennung und Wertschätzung beschert.
Sind Mannschaften nicht so erfolgreich, wie Vereinsführung, Fans und Medien es erwarten, werden Trainer schnell zu Sündenböcken. Dabei sind auch sie nie allein für Niederlagen verantwortlich. Trotzdem werden sie schnell entlassen, schneller als leitende Angestellte sonst wo.
Jürgen Klopp, der gerade nicht mehr so strahlende Strahlemann, ist eine Ausnahme. Borussia Dortmund stürzte mit ihm ab. Fans und Verein hielten dennoch zu ihm. Wegen seiner Verdienste. Als Klopp den Aufschwung nicht mehr schaffte, kündigte er selbst an, seinen Posten zum Ende der Saison zu verlassen. Klopps Abschied zieht sich seither hin als großes öffentliches Drama.
Der kühne Erneuerer.Er hatte Dortmund, als das Unternehmen BVB kurz vor dem Bankrott stand, wieder an die Spitze der Liga geführt, wurde zweimal deutscher Meister, Pokalsieger, Finalist in der Champions League. Der Trainer verkörperte den Verein. Im wahrsten Sinne des Wortes. Niemand sonst stand so wie er für dessen Zusammenhalts-Motto: „Echte Liebe“. Klopp beeindruckte als kühner Erneuerer, als Innovator, mit fanatischem Überfall-Fußball, mit herzhaftem Kampf, mit überschäumenden Emotionen, als Inspirator und Motivator junger ambitionierter Spieler, die alle etwas werden und alle etwas erreichen wollten.
Klopp förderte zielstrebig Talente. Einige entwickelten sich zu Weltklassespielern – wie Mario Götze und Robert Lewandowski. Doch die besten wurden ihm aus seiner Truppe immer wieder weggekauft, Götze und Lewandowski ausgerechnet von Dortmunds schärfstem Widersacher, dem FC Bayern München. Das zeigt: Wie gut ein Trainer/CEO sein kann, hängt auch ab von den Finanzen, über die er verfügen kann. Und Talente zu fördern und Talente zu halten, das sind zwei verschiedene Aufgaben. Das gilt für alle Branchen.
Bei der Borussia in Dortmund offenbarten sich nach sieben Klopp-Jahren jedoch auch hausgemachte Probleme – Schwächen, die bei erfolgreichen Unternehmen oft auftreten: Das Spielkonzept, die Strategie, überraschte keinen mehr. Sie verlor ihre Wirksamkeit. Dennoch vertraute der Trainer unverändert auf sein System. Doch irgendwann hatte andere Vereine Dortmunds aggressives Pressing, Gegen-Pressing und das schnelle Umschaltspiel durchschaut. Vom BVB kopierten sie hemmungslos, was ihnen nützlich erschien und entwickelten gegen die Dortmunder immer wirksamere Defensiv-Strategien. Borussia kam damit zunehmend schlechter zurecht. Da gelang es Klopp auch nicht mehr, die Mannschaft mit seinen Emotionen anzuzünden.
„Empowerment“ von Mitarbeitern, ein in der Management-Lehre gerne angeführtes Konzept, funktioniert nur bedingt als psychologisches Aufputschmittel. Empowerment kann nur gelingen, wenn es zur Erweiterung von Mitarbeiter-Können führt – und dazu gehört im modernen Fußball ein erweitertes Verständnis der Spieler von Strategie und Taktik, von situationsabhängigen Varianten, von Flexibilität und Rollenwechseln. Dazu allerdings müssen Spieler bereit und intelligent genug sein.
Klopps Nachfolger als Chef-Trainer, Thomas Tuchel, gilt als jemand, der die Defizite, die sich in Dortmund aufgetan haben, beseitigen könnte. Tuchel, vormals lediglich Trainer in Mainz, kann keine Titel vorweisen. Aber er führte vor, wie mit taktischer Flexibilität sogar Mannschaften zu bezwingen sind, die über weit bessere Spieler verfügen. Tuchel ist ein Tüftler. Trainingseinheiten plant er bis ins letzte Detail. Von Bayerns Pep Guardiola abgeschaut, wie während eines Spiels die Ausrichtung und den Rhythmus so grundlegend zu ändern ist, dass Gegner nicht zu ihrem eigenen Spiel finden. Learning by imitation.
Der Gamechanger. Pep Guardiola ist schon im Alter von 44 eine Trainer-Ikone. Bei den Bayern setzt er zielstrebig ein Konzept durch, das Management-Erklärer als „disruptiv innovation“ bezeichnen würden – eine Erneuerung, die alte Konzepte obsolet macht und die ganze Branche durchschüttelt.
Guardiola versteht die Komplexität des Spiels und kann sie erklären. Er hat den Fußball nicht neu erfunden, wie viele seiner Anhänger verklärend schwärmen. Aber er hat Fußball ernsthaft studiert, seine Geschichte, seine Entwicklung, verschiedene Trainer und Trainings- und Taktik-Konzepte. Er ist – wie alle Großen – gelehriger Schüler und innovativer Autodidakt. Schüler war er von Cruyff, Menotti und Sacchi, ohne durch sie sein Denken beschränken zu lassen. Er ist fleißig und akribisch. Guardiola ist eloquent, aber er hört mindestens genau so gut zu. Er will immer Neues lernen. Er saugt alles auf. Wenn glaubt, von anderen lernen zu können, auch wenn es mit Fußball direkt gar nicht zu tun hat, ist er hochkonzentriert. Er stellt sich nicht in den Vordergrund, sondern er hört zu und fragt und fragt und fragt.
Guardiola erkennt gute Idee und setzt sie neu zusammen. Er muss sehen in seinem Team verstehen, wer welches Potential für welche Aufgaben hat – und dieses Potential fördert er. Zeigt sich in einem Spiel, dass etwas nicht so gelingt, wie er es sich vorgestellt hat, ändert er die Aufstellung und die Taktik, womöglich mehrfach während eines Matches. Dabei ist allerdings wichtig festzuhalten: Das gelingt nur, weil er die verschiedenen Varianten seinen Spieler zuvor erklärt und sie mit ihnen ausreichend trainiert hat. Und wie gesagt: Dazu müssen Spieler /Mitarbeiter engagiert und intelligent sein. Wo es an Bereitschaft und an Kompetenz fehlt – an technischer, geistiger und sozialer – gelingt ein solcher Zugang nicht.
„Pep hat uns Fußball neu beigebracht“, schwärmen Top-Kicker wie Jerome Boateng oder Manuel Neuer. Die Anforderung an sie heißt: Multi-Funktionalität. So erzielen sie eine Wirkung, die ein frei-flotierendes Ensemble von Stars nie entfalten könnte. Philipp Lahm zum Beispiel kann als Verteidiger von rechts nach links rotieren, genau so gut defensives Mittelfeld spielen oder als Rechtsaußen vorstürmen, herrliche Flanken schlagen und sogar selbst Tore schießen. Guardiola bringt mit seinem Coaching Team-Effektivität und –Effizienz bringt auf ein neues Niveau.
Das Alphatier.Verlieren kann er schlecht verlieren. Wie alle Alpha-Tiere. Aber Guardiola ist Ästhet und Perfektionist. Fußball soll leicht und schön sein. Er will das perfekte Spiel. Obwohl er weiß, dass Perfektion im Fußball eine Fiktion ist. Für Guardiola ist die Fiktion permanenter Ansporn. Als CEO ist er, wie jeder Firmen-Chef, verantwortlich für Resultate. Aber es tut ihm in der Seele weh, wenn er nicht die Spieler zur Verfügung hat, die für seine ideale Spielweise braucht. „Ich würde gerne anders spielen, als wir heute gespielt haben. Aber ich muss natürlich so spielen, wie sich die Mannschaft aufstellt“, erklärte er zerknirscht nach einem Spiel gegen Dortmund, das Bayern ohne Kreativität, mit einer defensiven Taktik gewann. Es war abgezockter „Ergebnis-Fußball“. Kein schönes Spiel. Guardiola gewann, weil er (dieses Mal) seine Ideale aufgegeben hatte. Auch das ist bisweilen notwendig für Erfolg – weil die Welt sich nicht ausrichtet nach Idealen.
„Nur das Triple zählt“, verkündete Guardiola so eben und es klingt gar nicht arrogant. Mit dem FC Barcelona gewann er in seiner Trainer-Zeit von 2008 bis 2012 dreimal die spanische Meisterschaft, je zweimal den nationalen Cup, die Campions-League und die FIFA-Clubweltmeisterschaft. Der FC Bayern filetierte gerade den FC Porto 6:1, steht im Champions League Halbfinale und gilt als Favorit für den Titel. Die deutsche Meisterschaft haben sie in diesem Jahr bereits gewonnen.
Würde die Forbes-Liste der erfolgreichsten CEOs Fußball-Trainer berücksichtigen, stünde Guardiola dort ganz weit oben. Für die Branche müsste er den Spitzenplatz einnehmen. Fußball-Fans gilt er schon als Trainer des Jahrhunderts. Sein Kult-Status wäre mit dem von Steve Jobs zu vergleichen.
Großartige Kicker brauchen großartige Trainer. Ohne großartige Trainer wären im modernen Fußball auch die besten Kicker nicht so großartig. Stars strahlen es dann so hell sie können, sind so gut wie es eben geht, wenn sie in der richtigen Mannschaft spielen, wenn das Team, in dem sie kicken, funktionell optimal aufgestellt ist. Wenn jeder versteht, mit welcher Strategie und Taktik, die Mannschaft ins Spiel geht. Was jeder einzelnen zu tun hat. Wie alle zusammenarbeiten müssen. Das muss ihnen ein großartiger Trainer beibringen.
„Partizipation“ – auch so ein Schlagwort aus der Management-Lehre. Angeblich Garant für Team-Erfolg. Aber Trainer wie Guardiola wissen, wie vorsichtig sie mit einer solchen Empfehlung umgehen müssen. Einmal hat er sich in München breitschlagen lassen, eine Taktik und eine Aufstellung zu wählen, wie einige Führungsspieler und Funktionäre es wollten. Prompt verlor der FC brutal – zuhause 0:4 gegen Real Madrid. Und schied aus der Champions League aus. Trainer müssen die Mannschaft, das Team, aufstellen. Sie müssen entscheiden, wer zum Team gehört und wer nicht, wer in welcher Funktion. Die Entscheidung dürfen sie sich nicht nehmen lassen. Diese Aufgabe und die damit verbundene Macht üben sie rigoroser aus, als viele CEOs sonst wo. Ähnliche Machtfülle haben sonst wohl nur Opern-Intendanten. Trainer finanzstarker Clubs verfügen über ein Ensemble von Stars. Ihre Aufgabe besteht darin, aus diesem Ensemble ein Team zu schmieden. Das verlangt enorme Coaching-Leistung.
Die Teamspieler. Joachim Löw, der deutsche Nationaltrainer, musste für die WM in Brasilien mit einem Team ohne Stars anreisen. Doch mit seinem Coaching gelang es ihm, das Team selbst zum Star werden zu lassen. Sicher, er könnte hervorragende Kicker aufstellen, aber keiner der Deutschen gehört zu den internationalen Superstars. Im Dress des DFB kickt kein Ronaldo, kein Messi, kein Neymar. Löw könnte die individuellen Fähigkeiten seiner Spieler durch kluge Rollen- und Aufgaben-Verteilung und durch gescheite Taktik so gut zur Geltung bringen, dass dieses Team besser war als alle anderen, die mit Superstars aufwarten konnten.
Löw lieferte auch ein gutes Beispiel für „Partizipation“. Gegen Algerien wäre die deutsche Mannschaft fast ausgeschieden. Danach hat Löw sich von seinen gestandenen Führungsspielern (und nicht von irgendwem) erklären ließ, was an seiner Taktik nicht gut funktionierte. Daraufhin änderte er die Aufstellung und die Spielweise. Die Mannschaft blühte auf. Und holte den Titel.
Es kommt für Trainer darauf, ein Zusammenspiel zu gestalten, indem individuelle Fähigkeiten optimal zu einer Mannschaftsleistung kombiniert werden. Das gelingt nicht mit Konzepten vom Reisbrett. Fußball ist – wie Management – keine Ingenieur-Wissenschaft. It’s people business, würden Leadership-Lehrer sagen.
Spieler müssen sich gefördert und verstanden fühlen. Sie müssen verstehen, was von ihnen erwartet wird. Trainer müssen es für sie „sichtbar“ machen. Mitunter im wahrsten Sinne des Wortes. Marcel Koller ließ für den schon als ewiges Problemkind angesehenen Marko Arnautovic ein Video zusammenschneiden, indem er ihm genau die Arnautovic-Szenen vorspielte, die er künftig von ihm sehen wollte. Der Spieler verstand besser, was er auf dem Platz zeigen muss und er sah, dass er wahrgenommen und geschätzt wurde. Seither kickt er besser, mit mehr Disziplin und Fokus und Bezug auf die Mannschaft.
Fußballerische Qualität und Teamfähigkeit müssen für Trainer/CEOs im Vordergrund stehen. Und natürlich Leistungsbereitschaft. Marcel Koller erzählt, als er Nationaltrainer in Österreich wurde, sei ihm aufgefallen, dass den Spielern 80 Prozent Leistung gereicht haben. Danach schalteten sie zurück. Was passierte, wissen wir.