Der Coaching-Irrtum

Unternehmen versenken viel Geld, weil sie die FALSCHEN LEUTE fördern und viele zu wollen, bei denen fast alle Anstrengungen vergeblich sind.

Er ist wirklich ein brillanter Kopf.“ Das sagen alle über Christian B., selbst jene, die ihn nicht leiden können. B., 42, Einser-Jurist, aufgestiegen bis in die zweite Führungsebene in der Personalabteilung eines großen Konzerns, hat für sein Unternehmen schon zahlreiche knifflige Probleme gelöst – zum Beispiel wenn es um Umstrukturierungen, personelle Rochaden oder Sozialpläne ging. Der über ihm rangierende Vorstand zählt auf ihn und lobt seine „große fachliche Kompetenz“. Allerdings gilt B. vielen als unangenehmer Zeitgenosse, in der eigenen Abteilung und darüber hinaus im Konzern. Der Unmut ist nicht mehr zu ignorieren. Eigentlich schon lange nicht mehr. Mittlerweile ist der Vorstand alarmiert. B. löst mit seinen Verhaltensweisen immer wieder „mittelschwere Beben“ im Unternehmen aus. Kollegen sagen von ihm, er sei zu sehr von sich eingenommen. Er meine, immer recht zu haben, und lasse divergierende Meinungen nicht gelten. Wenn andere ihm nicht zustimmten, und zwar „ jetzt und sofort“, werde er „unwirsch“, versuche er, sie „niederzudiskutieren“, höre dabei gar nicht richtig zu, was sie zu sagen hätten. Er unterbreche andere häufig, sei „angriffig“, „scharfzüngig“, „süffisant“, „ironisch“, „abwertend“ und dabei „oft verletzend“. Für Mitglieder des Betriebsrates ist B. ein rotes Tuch. Wenn Arbeitnehmervertreter und er zusammenkommen, scheppert es regelmäßig. B. eilt ein unangenehmer Ruf voraus.
Nach wiederholten Beschwerden sah der Personalvorstand sich gezwungen, einzugreifen: B. muss ein Coaching machen. Er soll seine „social skills“ entwickeln und sozialverträglicher werden. B. selbst wäre nie auf die Idee gekommen. Er hält die Einwände gegen sich für „Befindlichkeiten“. Die Vorhaltungen seien „überzogen“. Er räumt ein, „ohne Scheu“ in Auseinandersetzungen „einzusteigen“, und meint: „Ich tauche vor Konflikten nicht ab. Das würde letztlich keinem dienen.“ Tatsächlich, führt er an, gehe es um „sachliche Kontroversen“ und „Interessensgegensätze“. Da dürfe man nicht drüber hinwegsehen.
B. fühlt sich zum Coaching „verdonnert“. Dass er nun jemanden sehen muss, „der mir Sozialverhalten beibringen soll“, empfindet er als Demütigung – zumal sich die Zuweisung im Unternehmen schnell herumgesprochen hat. Diskret ist die Sache keineswegs behandelt worden. Eher als resolute Aktion, die als Rü el verstanden werden sollte. B. fürchtet, „nun habe ich den Stempel weg“ – er fürchtet, dass er nun nicht mehr richtig ernst genommen werde.
Unter solchen Umständen knirscht es im Coaching schnell. Es gibt keine gute Grundlage für eine echte Kooperation. Wer zum Coaching „verdonnert“ wird, fühlt sich verkannt und bestraft. Der Coach erscheint als aufgezwungener Bewährungshelfer. Eben nicht als wirklicher Helfer, sondern als Person mit gegnerhaftem Auftrag, mit dem der zu Coachende meint, nicht vertrauensvoll zusammenarbeiten zu können. Ihn beäugt er kritisch. Ihm will er sich nicht ö nen, mit ihm nicht partnerschaftlich in ein „Sparring“ gehen – in eine wohlmeinende Auseinandersetzung um persönliche Eigenheiten, Stärken und Schwächen, um Ambitionen und um Wirkungen auf andere. In solcher Konstellation trachtet der „Coachee“ eher danach, dem Coach nachzuweisen, dass er ihn eigentlich gar nicht braucht. Dass das Set-up auf einem Missverständnis beruhe oder schlicht eine gemeine Degradierung sei. So geht kaum etwas weiter. Der Coach steht auf der Seife. …

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