Abschied vom Heldentum

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CEOs sollen Unternehmen zu großen Erfolgen führen. Doch reüssieren können sie nur, wenn sie starke Teams um sich bilden und daher Team-Coaching als Kernkompetenz begreifen.

Wenn das kein Grund ist, sich feiern zu lassen. Leadership auf höchsten Höhen. Kredenzt mit kräftige Schlagzeilen: „Tim Cook machte Apple zum wertvollsten Unternehmen der Welt“. „Marchionne haucht Chrysler neues Leben ein“. „Bezos lässt seine Effizienzmaschine Amazon weiter auf Hochtouren laufen“. CEOs als Helden. Sie sollen „den Unterschied“ ausmachen, diejenigen sein, die Unternehmen zu immer neuen Gipfeln führen, Industrien umkrempeln, die Welt verändern.

Wir alle wünschen uns Helden. CEOs, die grandiose Erfolge vorweisen, heben wir in den Manager-Himmel. Sogar den blassen Tim Cook. Bis vor kurzem wollte ihm kaum jemand zutrauen, dass er seinen schillernden Vorgänger würde ersetzen können – Steve Jobs, von Forbes noch zu Lebzeiten hochgelobt zum CEO des 21. Jahrhunderts.

Der große Führungs-Irrtum. Magazine wie die Harvard Business Review schüren Heldenmythen und geben vor, Rezepte auszustellen, wie jeder von uns ein Steve Jobs werden könne. Seriöse Harvard-Forscher wie Richard Hackman zucken ob solcher Versprechen jedoch zusammen. Hackman warnt vor dem „Leader Attribution Error“ – dem verbreiteten Irrtum, große Leistungen einzelnen Führungs-Personen als Erfolge zuzuschreiben. Mit diesem Irrtum steht Cook für Apple, Marchionne für Fiat und Chrysler, Bezos für Amazon, Mateschitz für Red Bull, Eder für Voestalpine. Sie alle repräsentieren Erfolg. Beeindruckende Manager. Durchaus mit einem gewissen Etwas, das sie selbst nicht erklären können und doch zu Glanz beiträgt. Aber nüchtern betrachtet: Keiner von ihnen ist das Unternehmen. Zu fragen ist allenfalls: Welcher Anteil an den Bilanzen gebührt ihnen unter dem Strich?
CEOs verbuchen Erfolge für sich, auch wenn sie nur glücklichen Umständen zu verdanken sind. Boomt ihre Branche, profitieren sie davon, aber es ist kein persönlicher Verdienst. Verfügen sie in ihrem Unternehmen über viel Cash, hineingeschossen von Investoren oder angehäuft von Vorgängern, können sie gro ße Summen in die Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen stecken und aufwendige MarketingKampagnen starten. Sie können Optionen verfolgen, die CEOs mit weniger Barem nicht haben. Jeder CEO hat mit Beschränkungen zu tun, die ihm durch interne und externe Bedingungen, die er nicht aushebeln kann, gesetzt sind.
Führungsfähigkeit besteht darin, Beschränkungen und Chancen realistisch einzuschätzen. Führung muss die kritischen Funktionen im eignen Unternehmen erfolgreich steuern und den Betrieb immer wieder an veränderte Markt-Bedingungen anpassen – an Veränderungen, die immer rasanter, grundlegender und schneller stattfinden. Sonst kann ihr Unternehmen nicht prosperieren und – letztlich – nicht überleben.

Die Langzeitstudie der Harvard-Professoren. Welchen Anteil ein CEO am Wohl eines Unternehmens beanspruchen kann, untersuchten die Harvard-Professoren Noam Wasserman, Bharat Anand und Nitin Nohria. Sie verglichen die Ergebnisse von 531 Konzernen aus 42 Branchen über einen Zeitraum von 18 Jahren und kamen zu dem Ergebnis, dass der CEO im Durchschnitt für cirka 14 Prozent des Erfolges steht. Immerhin.
Allerdings: 86 Prozent des Erfolges hängen ab von sonstigen Bedingungen, zum Beispiel von verfügbarem Kapital, Technologie, Zustand bedeutender Konkurrenten, der Entwicklung der Branche oder der Wirtschaft insgesamt – und von der Effektivität und Effizienz der Zusammenarbeit im Unternehmen, also von dessen Teamfähigkeit.
Steigen wir genauer in die HarvardDaten ein, stellen wir fest, dass der CEOEinfluss von Branche zu Branche stark variiert. Er kann bei zwei, aber auch bei 20 Prozent liegen. Dieser Unterschied resultiert daraus, dass Branchen sehr unterschiedliche Margen erzielen. Energy Drinks und Rasierklingen bringen weit mehr Return On Investment als Stahl oder Lebensmittel. Der Effekt hat nichts zu tun mit unterschiedlicher Führungsfähigkeit.
Wasserman und Kollegen stellten mit aufwendigen Simulations-Verfahren zudem fest: Bei mehr als jedem zweiten Unternehmen trugen die tatsächlichen Führungsentscheidungen nicht zu besseren Ergebnissen bei als simulierte ZufallsEntscheidungen. Bei mehr als der Hälfte der Unternehmen wäre der Output also auch ohne Führung der gleiche. Helden-Mythen können bei kritischer Betrachtung keinen Bestand haben. Lassen wir uns von ihnen in der Oper betören, aber nicht in der Management-Analyse. Kein Einzelner kann alle Faktoren überblicken und beeinflussen, die den Erfolg eines Unternehmens ausmachen. Märkte werden immer unüberschaubarer, die Bedingungen für Erfolg immer komplexer und sie ändern sich immer schneller – durch neue Technologien, wechselnde Kundenwünsche, schwankende Wechselkurse, Einfuhrund Ausfuhr-Regelungen, Spekulationen großer Hedgefunds, Krisen in Staatshaushalten, die das Wirtschaftsgefüge global erschüttern.

Großflächig organisierte Kompetenz ist das neue Zauberwort. Komplexität und Tempo der globalen Wirtschaft verlangen komplexe Expertisen und großflächig organisierte Kompetenz. Kluge Analyse, Planung, kontrollierte Umsetzung, Anpassung an Veränderung – all das ist nur durch smarte funktionelle Teams zu bewältigen. Auch die kreativsten, hartnäckigsten und ausgebufftesten Entrepreneurs brauchen viele hochqualifizierte Menschen, die koordiniert zusammenarbeiten, in ihren jeweiligen Bereichen und bereichsübergreifend, die sich mit Fähigkeiten und Leistungen gegenseitig ergänzen und so gemeinsam das Große und das Ganze schaffen.
Sie wollten Innovationen fördern, behaupten alle Top-Manager. Aber sie schaffen dafür nicht die Team-Kultur, die Ideen unterstützt. Für die große Mehrheit der Unternehmen liegt das Problem nicht im Mangel an Ideen, wie Alf Rehn, einer der neuen Stars in der Management-Forschung, nachweist.
Ideen werden genug entwickelt. Doch Unternehmen nutzen sie nicht. Mitarbeitern, die Ideen präsentieren, hören Kollegen und Vorgesetzte meist nicht richtig zu. Innovative Charaktere gelten eher als Störer eingeschliffener Verhaltensund Denkmuster denn als produktive Impulsgeber. Sie rennen weitgehend an gegen Gleichgültigkeit.
Gleichgültigkeit signalisiert: Teams agieren nicht funktionell (für Innovation) und Führungskräfte versagen, TeamFunktionalität zu coachen, so dass Teams effizient und effektiv sind, Ideen angemessen aufnehmen, gemeinsam weiter entwickeln und schließlich umsetzen. Funktionelles Teamwork ist kein Slogan, sondern ein Erfordernis. Moderne Unternehmen brauchen Führungskräfte, die echte Team-Player sind, selbst Teams aufstellen und coachen können. Teamarbeit verlangt eine gute Verständigung untereinander, gemeinsame Ziele, Zuordnung von Rollen und Verantwortung, die Fähigkeit, unterschiedliche Mentalitäten und Meinungsverschiedenheiten auszuhalten, Vertrauen zu schaffen, Fehler zu erkennen, Rückschläge wegzustecken, Ideen einzubringen, Konflikte zu lösen, persönliche Ambitionen zurückzustellen, wenn dadurch das Große und Ganze beeinträchtigt würde.
Um große Erfolge zu schaffen, müssen Egoismus und Individualismus gezügelt werden. Und doch darf beides nicht völlig abgedreht werden. Denn aus Eigen-Interesse entsteht Antrieb, Kraft, Ausdauer, Durchsetzungswille, und Individualität schafft Kreativität. Das zeigt uns der Fußball: Besondere individuelle Leistungen tragen oft zum entscheidenden Erfolg bei – das eigenwillige Dribbling eines Stürmers, der drei gegnerische Spieler umkurvt und dem vierten durch die Beine schießt, unhaltbar für den Torwart. Dafür lieben wir Stars wie Robert Lewandowski, Arjen Robben, Lionel Messi, James Rodriguez oder Christiano Rolando. Aber wir sehen auch, wie sehr Individualisten Erfolge verhindern, wenn sie zu sehr sich selbst im Sinn haben und Mitspieler übersehen, die sich in besserer Position befinden und mehr zustande bringen könnten.

Die richtige Rollenverteilung. Die großen Herausforderungen für Organisationen und Unternehmen, notiert Leadership-Professor Peter Hawkins, bestünden nicht mehr in einzelnen Menschen oder Teilen, „sondern in den Schnittstellen und Beziehungen zwischen den Menschen, Teams, Funktionen und verschiedenen Interessengruppen (Stakeholdern).“ Menschliche Faktoren sind entscheidend. Mindestens so wie kluge Prozesse und zweckmäßige Strukturen. Durch die Verteilung von Rollen, durch Funktionsoder Arbeitsplatzbeschreibungen ist nicht garantiert, dass alles so zusammenläuft wie erhofft. Optimale Funktionalität erwächst nirgendwo von selbst. Teams müssen nicht nur gut aufgestellt werden, die einzelnen Team-Player müssen auch richtig gut zusammenspielen. Und zwar über die gesamte Spielzeit. Welche Kompetenzen und welche Typen ein Team braucht, hängt von den Aufgaben ab, die es erfüllen muss und von den Bedingungen, unter denen es agiert. Aufgaben und Bedingungen müssen verstanden werden. Nur dann können Teams ihre Funktion erfüllen, effektiv und effizient sein: die richtigen Dinge tun und das, was sie tun, richtig machen.

Die neuen Führungskonzepte. So sehr wir uns bemühen mögen, Komplexität zu reduzieren, es gibt für sie keine einfachen Lösungen. Das behaupten nur Flachdenker. Mit zunehmender Komplexität der Aufgabe werden Abstimmung, Verständigung, Orientierung, Evaluierung und Korrektur immer wichtiger – und schwieriger. Das verlangt neue Führungskonzepte – die Bündelung von Kompetenzen. Einzelne können nicht mehr für Führung zuständig sein. Verlangt sind Führungsteams, die selbst Teamarbeit voranbringen. Jeder im Unternehmen muss für seine Aufgaben und seinen Beitrag zum Gesamterfolg eine angemessene Verantwortung übernehmen. Wissen, Können, persönliche Haltung müssen zusammenpassen. Funktionelles Team-Coaching muss die verschiedenen Ebenen eines Unternehmens erreichen.

Welche fachlichen Kompetenzen Teams brauchen, um erfolgreich zu sein. Funktionelles Coaching zielt darauf ab, die erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu entwickeln, dass sie ineinandergreifen, aufeinander aufbauen, sich wechselseitig verstärken und so zu einem größeren Nutzen und Erfolg führen. Selbstverständlich sind entsprechende fachliche Kompetenzen verlangt, darüberhinaus die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich zuzuhören und zu verständigen, neugierig zu bleiben und offen für neue Ideen zu sein. Darüber hinaus gilt es die unterschiedliche Fähigkeiten zu nutzen, die Vielfalt zu akzeptieren und wertzuschätzen, Spannungen auszuhalten und Konflikte zu bewältigen, Willensstärke aufzubauen und Ausdauer zu stärken, Emotionen zu verstehen und zu managen. Die weiteren Punkte sind: Das engere und weitere Umfeld zu verstehen, Risiken kompetent zu bewerten, Krisen zu bewältigen, persönliche Energie klug zu erneuern, körperlich und geistig gesund zu bleiben, die Regeln und Einflüsse der Macht zu verstehen, im Verständnis von KontextundHerausforderungzuführen, und Komplexität zu bewältigen.

Die Gefahr, in Isolation zu geraten. TeamsbrauchensolchegebündelteKompetenz, und sie brauchen Zusammenhalt. Sie dürfen ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf sich selbst richten, sondern müssen berücksichtigen, in welchem Netzwerk und Umfeld sie agieren. Was sie tun, müssen sie stets zu ihren Interessengruppen vermitteln. Sonst geraten sie in Isolation und verlieren ihre Maßstäbe für Erfolg. Verlangt ist aufmerksames Monitoring und stetige Verbesserung. Wenn komplexe Aufgaben zu bewältigen sind, müssen Führungskräfte kollektive Vernunft organisieren, wissen, wo die eigene Kompetenz aufhört, wo sie durch andere ergänzt werden muss. Führungskräfte müssen dafür offen sein. Auch Vorstände stoßen an ihre Kompetenzgrenzen. Statt an sich den Anspruch zu stellen, Vorgaben zu machen, denen andere zu folgen hätten, sollten sie Prozesse organisieren, die alle mit einbeziehen, die zum Verständnis und zur Lösung komplexer Probleme beitragen können. Dazu wird es oft nicht reichen, Wissende aus der eigenen Organisation zu Rate zu ziehen. Denn oft wird der Organisation selbst das notwendige Wissen fehlen. Komplexität erfordert Diskurs. Die Organisation von Diskursen ist eine Führungsaufgabe. Diskurse entstehen nicht von selbst. Die Führung setzt die Agenda und beschreibt, welche Aufgaben zu lösen sind und welche Experten dafür gewonnen werden müssen. Damit unterschiedliche Expertisen zur Geltung kommen, müssen Führungskräfte Kontexte und Kulturen schaffen, in denen Kommunikation stattfindet, die zu Verständigung führt. Sind die persönlichen Beziehungen nicht intakt, entsteht daraus kein Bezug aufeinander, der Lösungen erlaubt. Fachliche Kompetenz bleibt Grundvoraussetzung. Doch die allein reicht nicht. Mehr denn je ist Führung Vermittlung, Kommunikation, Moderation, Team-Arbeit und Team-Coaching.